Putin macht "US-Eliten" für Lage in Gaza und Ukraine verantwortlich
Die "herrschenden Eliten der USA" und deren "Satelliten" stehen nach Darstellung des russischen Präsidenten Wladimir Putin hinter der Tötung von Palästinensern im Gazastreifen sowie den Entwicklungen in der Ukraine, im Irak und in Syrien. Die westlichen Geheimdienste und die Regierung in Kiew seien zudem mitverantwortlich für die Erstürmung des Flughafens in der russischen Kaukasusrepublik Dagestan durch einen anti-israelischen Mob, sagte Putin Montagabend.
Der Präsident sprach vor Mitgliedern seines Sicherheitsrates, der Regierung und den Chefs von Sicherheitsbehörden. Zuvor waren bei beispiellosen antijüdischen Gewaltexzessen vor dem Hintergrund des Gaza-Konflikts in Russlands muslimisch geprägtem Nordkaukasus etwa 20 Menschen verletzt worden. Wütende Menschen drangen in der Teilrepublik Dagestan in den Flughafen der Hauptstadt Machatschkala ein, als dort am Sonntag ein Flugzeug aus Israel ankam. Der Kreml warf dem Westen am Montag Destabilisierungsversuche und Provokationen vor.
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Vor dem Hintergrund der Fernsehbilder von dem "Horror" im Gazastreifen sei es "sehr leicht, die Situation zu missbrauchen, dies zu provozieren, die Leute aufzubringen", hatte Kremlsprecher Dmitri Peskow zuvor kommentiert. Es sei offensichtlich, dass die Ausschreitungen durch Einmischung aus dem Ausland verursacht worden seien, so Peskow. Es gehe um "die Versuche des Westens, die Lage im Nahen Osten dazu zu nutzen, eine Spaltung der russischen Gesellschaft herbeizuführen". Peskow erinnerte daran, dass der Präsident in der vergangenen Woche vor dem Hintergrund möglicher Spannungen zwischen Menschen verschiedener Glaubensrichtungen die religiösen Führer Russlands zusammenbrachte. Dabei rief Putin mit Blick auf die Lage im Nahen Osten zu einem friedlichen Miteinander auf.
Pogrom-Vergleich
Nach den anti-israelischen Ausschreitungen in Dagestan hat Israels Präsident Isaac Herzog die Vorfälle mit einem "Pogrom" verglichen. "Es war wie ein Pogrom", sagte der Staatschef am Montag in einem Interview mit "Bild", Welt-TV und "Politico". Die Ausschreitungen auf dem Flughafen von Dagestans Hauptstadt Machatschkala seien "schockierend" und "äußerst beunruhigend". "Gott sei Dank wurde es am Ende von den Behörden verhindert, aber es sah wie ein Pogrom aus", sagte Herzog. "Ich bin froh, dass die russischen Behörden eingegriffen und die Kontrolle übernommen haben und die Menge, die die unschuldigen Zivilisten im Flugzeug bedrohte, vertrieben haben."
Die Ukraine hat russische Vorwürfe zurückgewiesen, die antisemitischen Exzesse in Dagestan angestachelt zu haben. "Die Vorgänge in Machatschkala spiegeln den tief verwurzelten Antisemitismus der russischen Eliten und Gesellschaft wider", schrieb der ukrainische Außenamtssprecher, Oleh Nikolenko, am Montag bei Facebook. Moskau versuche mit seinen Vorwürfen gegen Kiew nur, die Verantwortung abzuschieben. Der Aufruhr sei vielmehr Folge der "russischen Staatspropaganda, die jahrzehntelang unter den Russen das Gefühl von Hass gegen andere Völker kultivierte".
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Der dagestanische Republikchef Sergej Melikow verurteilte die Gewalt gegen die schutzlosen Passagiere aus Tel Aviv, die sich nichts hätten zuschulden kommen lassen. An Bord der Maschine sollen 45 Passagiere gewesen sein, darunter 15 Israelis. Es seien Frauen mit Kindern, die in Israel zu medizinischen Behandlungen gewesen seien, grundlos beschimpft und angegriffen worden, sagte Melikow, der den Flughafen aufsuchte.
Die Gewalt sei durch nichts zu rechtfertigen, auch wenn das Leid der Opfer durch die Gewalt in den palästinensischen Gebieten die Menschen aufwühle. "Alle Dagestaner beten für Frieden in Palästina", sagte Melikow. Zugleich stellte sich auch die islamische Geistlichkeit der Region gegen die Gewalt: "Der Antisemitismus hat keinen Platz im multiethnischen Nordkaukasus."
Melikow warf den "Feinden" Russlands vor, zu den Protesten in Dagestan aufgerufen und die Menschen zur Gewalt angestachelt zu haben. Er sprach von solchen Aufrufen in pro-ukrainischen Kanälen bei Telegram. Russland, das seit mehr als 20 Monaten einen zerstörerischen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt, wirft Kiew immer wieder Versuche vor, die Lage im Land zu destabilisieren. Nach Auffassung des russischen Machtapparats will die Ukraine so erreichen, dass Moskau seine für die Invasion in dem Nachbarland genutzten Ressourcen umleiten muss.
Die Übergriffe hatten international Bestürzung ausgelöst. Es gab laut Behörden rund 60 Festnahmen. Unter den Verletzten sind auch Polizisten. Israel und die USA verurteilten die Ausschreitungen. Die deutsche Regierung in Berlin forderte von Russland, die Sicherheit jüdischer Bürger zu gewährleisten. Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) meldete sich Sonntagabend auf Twitter (X) zu Wort. Auf Englisch ließ er wissen: "Die Bilder vom Flughafen #Machatschkala in #Dagestan sind zutiefst erschreckend. Sie erinnern uns an die dunkelsten Zeiten." Auch in anderen muslimisch geprägten Regionen im Nordkaukasus gab es laut Behörden gegen Juden gerichtete Aktionen. Flüge aus Tel Aviv wurden nun auf andere russische Airports in sicheren Regionen umgeleitet.
Der Politikwissenschafter Gerhard Mangott sagte Montagabend in der ZiB2 des ORF bezüglich des anti-jüdischen Mobs am Flughafen von Machatschkala, dass Dagestan eine der wirtschaftlich schwächsten Regionen Russlands sei, die gleichzeitig demografisch stark wachse und perspektivlose Jugendliche hervorbringe, die empfänglich für salafistische Strömungen seien. Eine Einmischung des Westens sah er keine, vielmehr machte er Moskau für die schlechte Sicherheitslage für die rund 1.500 Juden in Dagestan verantwortlich. Beim Nahostkonflikt mache der Kreml eine Gratwanderung, da er einerseits nicht die Beziehungen zu Israel, das nicht bei den westlichen Sanktionen mitgemacht habe, beschädigen wolle, andererseits wolle Putin aber "Leader des globalen Südens" sein und antiwestliche Ressentiments schüren.
An der Ausweitung der Kämpfe in Nahost habe Putin durchaus Interesse, so Mangott, da, je länger der Krieg dauere, desto mehr trete Israel in Konkurrenz zur Ukraine bezüglich westlicher Unterstützung. Außerdem könnten die USA ihren Fokus mehr auf Israel legen, betonte Mangott. In der Ukraine sei Russland nicht zu einer Großoffensive fähig, vielmehr reiche es nur für kleinere Vorstöße im Osten, welche aber immer wieder abgewehrt würden. Auch die Sommeroffensive Kiews sei nur "bedingt erfolgreich" gewesen, sagte Mangott, dazu komme nun das schlechte Wetter, welche die Situation für die ukrainischen Verteidiger zusätzlich erschwere. Bezüglich des Stopps der russischen Gaslieferungen durch die Ukraine ab 2025 meinte der Politikwissenschafter, dass sich Kiew es sich nicht leisten könne, europäische Länder von der Energiezufuhr abzuschneiden, vor allem unter dem Aspekt eines möglichen EU-Beitritts. Mangott plädierte diesbezüglich zu einer Vereinbarung ähnlich dem Getreideabkommen. Ansonsten drohe hierzulande einer ernst zu nehmende Krise.