Politik/Ausland

Putin gibt sich zahm und wird umworben

Plötzlich ging alles ganz schnell: In nur fünf Stunden haben sich in der Nacht auf Samstag Russland und die Ukraine unter Vermittlung der EU-Kommission auf eine sichere Gasversorgung im Winter geeinigt. Das verhindert nicht nur eine humanitäre Katastrophe in der Ukraine, sondern sichert auch die Energieversorgung mit russischem Gas in Europa.

Überraschend ist, dass es seit Anfang September im Osten der Ukraine ruhiger geworden ist. Brüsseler Diplomaten werten die Entspannung als ein "gutes Omen" für den Ende kommender Woche bevorstehenden Ukraine-Gipfel in Paris. Der "konstruktive Geist", den es bei den Verhandlungen über die Erdgas-Lieferungen gegeben hat, werde sich hoffentlich auf den Ukraine-Gipfel übertragen, betonte Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Dabei wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Staatschefs von Frankreich, Russland und der Ukraine Bilanz über die Einhaltung des Minsker Abkommens ziehen.

Russland erwartet sich Signale zur Aufhebung der Wirtschaftssanktionen. Die EU knüpft ein Ende der Strafmaßnahmen an eine vollständige Umsetzung der Vereinbarungen von Minsk – um Frieden in der Ostukraine zu erzielen.

Ende der Sanktionen?

Überraschend kam am Freitag der Vorstoß von Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), die Sanktionen gegenüber Russland aufzuheben. Der Wirtschaftsminister begründete seine Forderung mit der Rolle Russlands in der Syrien-Krise und den Flüchtlingsströmen sowie der Hilfe Russlands im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). "Wir werden unser Verhältnis zu Russland ändern müssen", sagte Gabriel.

Umgekehrt will offensichtlich auch Wladimir Putin das Verhältnis seines Landes zum Westen ändern. Für den russischen Präsidenten stehen entscheidende Tage bevor. Am Montag trifft er am Rande der UN-Vollversammlung US-Präsident Barack Obama in New York. Eine Rede Putins vor der UNO steht ebenso am Programm. Dabei will er sich als Player im Syrien-Konflikt präsentieren – während offenbar laufend russische Militärausrüstung nach Syrien geflogen wird.

US-Außenminister John Kerry plant eine neue diplomatische Initiative für das Bürgerkriegsland. Er sucht ein Rezept, das eine Rückkehr zu wirklichen, substanziellen Verhandlungen mit Syrien bringt. Dabei ist kein Tabu mehr, Präsident Baschar al-Assad in die Strategie miteinzubeziehen. Russland und Iran unterstützen Assad, die USA pochen weiter auf dessen Ablösung, zeigten sich zuletzt aber flexibel, wann dies erfolgen soll. Von europäischen Verbündeten kommen – unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise – zustimmende Signale, aber der Grundsatz ‚Assad muss gehen‘ bleibe weiter bestehen, sagte ein EU-Diplomat zum KURIER. Angesichts der Bedrohung der gesamten Region durch IS-Terroristen hatte sich zuletzt auch Merkel dafür ausgesprochen.