Politik/Ausland

Putin-Gegner Nawalny vorerst zu 30 Tagen Haft verurteilt

Das ging schnell. Am Sonntagabend, sofort nach der Landung in Moskau, war der russische Kremlkritiker Alexej Nawalny verhaftet worden. Jetzt, am Tag darauf, ist auch schon ein erstes Urteil da: Er wurde vorerst zu 30 Tagen Untersuchungshaft verurteilt. Er habe gegen Meldeauflagen nach einem früheren Strafprozess verstoßen.

Der Prozess könnte dann am 29. Jänner beginnen. Und dann könnte der 44-jährige Nawalny theoretisch auch zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt werden, das wäre eine 2014 auf Bewährung ausgesprochene Strafe.

Der Oppositionsführer kritisierte das Verfahren als politische Inszenierung mit dem Ziel, ihn zum Schweigen zu bringen. Er rief offen zu Protesten. „Habt keine Angst, geht auf die Straße!“, sagte Nawalny noch im Verhandlungssaal.

Die EU-Staaten forderten in einer gemeinsamen Erklärung die sofortige Freilassung Nawalnys und warnten die russische Regierung vor weiteren Repressionen gegen die Opposition und Zivilgesellschaft. Das EU-Parlament setzte für Dienstag eine Debatte an.

Kritik von Juristen

Juristen kritisierten den Eilprozess als beispiellos - selbst für russische Verhältnisse. In einem Video bei Twitter beklagte Nawalny, dass die Justiz in Russland eine neue Stufe der „Gesetzlosigkeit“ erreicht habe.

"Opa im Bunker fürchtet sich" 

„Ich habe oft gesehen, wie der Rechtsstaat ins Lächerliche gezogen wird, aber dieser Opa in seinem Bunker fürchtet sich inzwischen so sehr (...), dass nun einfach der Strafprozesskodex zerrissen und auf die Müllhalde geworfen wird“, sagte Nawalny im improvisierten Gerichtszimmer auf einer Polizeistation. Mit „Opa in seinem Bunker“ meint Nawalny den russischen Präsidenten Wladimir Putin. „Es ist unmöglich, was hier passiert.“

Nawalnys Anwälte hatten offenbar ein Schreiben über den Beginn einer Gerichtsverhandlung im Polizeigebäude erhalten, die dann eröffnet wurde, ohne dass jemand sich hätte vorbereiten können. Zuvor hatten Nawalnys Anwälte und Mitarbeiter erklärt, dass von dem Oppositionellen jede Spur fehle.

Nawalnys Anwältin ausgesperrt

Die Anwältin Nawalnys, Olga Michailowa, beklagt seit Sonntagabend, dass sie ihren Mandanten nicht betreuen dürfe. Sie werde nicht zu ihm gelassen, sagte sie dem Radiosender Echo Moskwy am Montag vor der Polizeistation. Die Anwältin hatte am Sonntag am Flughafen Scheremetjewo Nawalny zwar gesehen, Uniformierte verwehrten ihr allerdings, ihn zu begleiten, wie auf einem Video zu sehen war.
Auch Menschenrechtler stünden vor dem Polizeigebäude und hätten keinen Zugang, sagte Michailowa. Sie warf den Polizeibehörden Gesetzesverstöße vor, weil Nawalny der rechtlich vorgesehene Schutz verwehrt werde.

Nawalny hatte am Sonntag nach fünf Monaten in Deutschland, wo er sich von einem Anschlag mit dem Nervengift Nowitschok erholte, verlassen. Nach seiner Ankunft in Moskau wurde er festgenommen. Die Justiz hatte ihn zur Fahndung ausgeschrieben. Der Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin soll während seines Aufenthalts in Deutschland gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren verstoßen haben.

Merkel fordert Freilassung

Nawalny kritisiert das Vorgehen gegen ihn als politisch motiviert. Zuvor hatten sich die internationalen Stimmen, die die umgehende Freilassung Nawalnys fordern, gemehrt. So verlangte auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel seine sofortige Freilassung.

EU protestiert

Die EU-Staaten haben in einer gemeinsamen Erklärung die sofortige Freilassung Nawalnys gefordert und die russische Regierung vor weiteren Repressionen gegen die Opposition und Zivilgesellschaft gewarnt. „Die Politisierung der Justiz ist inakzeptabel, und die Rechte von Herrn Nawalny müssen respektiert werden“, heißt es in dem am Montag veröffentlichten Text. Bei der Gestaltung ihrer Russland-Politik werde die EU die Entwicklungen mit einbeziehen.

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Nawalny erholte sich in Deutschland von einem Anschlag mit dem als Chemiewaffe verbotenen Nervengift Nowitschok. Das Attentat war am 20. August in der sibirischen Stadt Tomsk auf ihn verübt worden. Ungeachtet der Gefahr, getötet oder festgenommen zu werden, erklärte Nawalny mehrfach, dass sein Platz in Russland sei und er dort seinen Kampf gegen das "System Putin" fortsetzen wolle.

Nawalny hatte immer wieder Putin und den Inlandsgeheimdienst FSB für den Mordanschlag verantwortlich gemacht. Der Kremlchef hatte das stets zurückgewiesen.

"Inakzeptabel"

Das Außenministerium in Wien zeigte sich am Sonntag über die Festnahme Nawalnys tief besorgt. „Eine lebendige Zivilgesellschaft und politische Opposition sind Eckpfeiler aller demokratischen Gesellschaften. Österreich fordert seine sofortige Freilassung und eine umfassende und unabhängige Untersuchung des Angriffs auf sein Leben“, hieß es in einer Twitter-Meldung.

EU-Ratspräsident Charles Michel forderte die "sofortige Freilassung" Nawalnys. Die Festnahme unmittelbar nach seiner Ankunft in Moskau sei "inakzeptabel", betonte Michel auf Twitter.