Politik/Ausland

Puigdemont bleibt vorerst "Präsident im Exil"

Das Verwirrspiel um den angeklagten katalanischen Ex-Präsidenten Carles Puigdemont und weitere Führungsfiguren geht weiter: Mindestens zwei seiner Ex-Minister sind in der Nacht auf Mittwoch aus Brüssel kommend in Barcelona gelandet. Puigdemont war nicht dabei. Auf seiner Internetseite bezeichnet er sich als "Präsident im Exil", in dem er vorerst auch bleiben wolle, so sein Anwalt.

Puigdemont und seine Mitangeklagten (insgesamt 14 Personen) sollen morgen vor Gericht in Madrid erscheinen. Sie sollen zudem 6,2 Millionen Euro hinterlegen, wie Richterin Carmen Lamela mitteilte. Das sind die Kosten des für illegal erklärten Unabhängigkeits-Referendums vom 1. Oktober. Indes gab Puigdemonts Anwalt, Paul Bekaert, bekannt, dass sein Klient nicht vor Gericht erscheinen werde. "Puigdemont wartet ab, er glaubt nicht, dass es ein gerechtes Verfahren gegen ihn gibt", sagte der Anwalt.

Die Luft für Puigdemont wird immer dünner: Gegen den Ex-Präsidenten Kataloniens wurde wegen Ausrufung der Unabhängigkeit Anklage wegen Rebellion, Aufruhr und Missbrauch öffentlicher Mittel erhoben. In Barcelona prüfen spanische Beamte sämtliche Geldflüsse der abgesetzten Regierung, weil es den Verdacht gibt, dass Steuergelder in die Errichtung der Unabhängigkeit und zu separatistischen Parteien geflossen sind.

Da Puigdemont offenbar nicht vor Gericht erscheinen wird, könnte gegen ihn ein internationaler Haftbefehl erlassen werden, der von Belgien ausgeführt werden müsste – für den Fall, dass Puigdemont noch in Brüssel ist.

Wahl als Zerreißprobe

Wird er verhaftet und kommt nach Spanien zurück, dürfte sich der Konflikt in Katalonien zwischen Befürwortern und Gegnern der Unabhängigkeit verschärfen und die politische Atmosphäre weiter vergiften. Die Auswirkungen auf den Wahlkampf wären fatal. Schon jetzt heißt es in Medien, wie der Tageszeitung El País, die auch eine Ausgabe in katalanischer Sprache hat, die Wahl am 21. Dezember wird ein Plebiszit über Unabhängigkeit oder Autonomie Kataloniens.

Bis zum 7. November haben Listenbündnisse Zeit, sich für die Wahl anzumelden, eine Woche später läuft die Frist ab. Die sezessionistischen Gruppen überlegen, gemeinsam anzutreten. Ob als Bündnis oder als einzelne Partei, sie fordern eine Strategie zugunsten eines legalen Unabhängigkeitsreferendums.

Für eine Teilnahme müssen die Separatisten akzeptieren, dass der Urnengang vom spanischen Ministerpräsidenten als Wahlen der autonomen Region Kataloniens ausgerufen worden sind. Der geflüchtete Puigdemont hat erklärt, die Wahlen anzuerkennen.

Ob die Separatisten im Wahlkampf mehr Realitätssinn zeigen als bisher, ist nicht sehr wahrscheinlich. Bis jetzt behaupten sie, Katalonien würde auch nach der Unabhängigkeit EU-Mitglied bleiben können. An die Brexit-Kampagne erinnern auch Behauptungen, Madrid "raube" den Katalanen jedes Jahr 16 Milliarden Euro an Steuern, die nach der Unabhängigkeit den Bürgern zugute kommen würden. Dass die Zentralregierung das Geld nicht einfach behält, sondern auch für sicherheits- und verteidigungspolitische Verpflichtungen in Katalonien aufkommt, wird verschwiegen. Dass der defizitäre katalonische Pensionsfonds vom Budget der Zentralregierung aufgefüllt wird, ebenso.

Enttäuschung über EU

An der staatspolitischen Krise ist aber nicht nur Katalonien schuld. Auch Ministerpräsident Rajoy hat es in den vergangenen Jahren verabsäumt, diesen unrealistischen Versprechen der Separatisten etwas entgegenzuwirken: Etwa einen neuen Fiskalpakt für das ganze Land oder eine Verfassungsreform. Vorschläge dazu gibt es, doch Rajoy räumte sie schon 2010 in eine Schublade, was die Katalanen erst recht aufbrachte.

Eines wird auch immer deutlicher: Die Mehrheit der Katalanen, die nicht radikal ist und in Ruhe leben will, ist schwer enttäuscht von der EU: "Überall mischt sich Brüssel ein, aber in unserem Konflikt will es nicht vermitteln", wundern sich junge Studenten, die sich am Allerheiligentag zum Picknick am Strand treffen.