Politik/Ausland

Präsidentenwahl in Frankreich: Macron hat es noch nicht geschafft

Marine Le Pen zieht in ihrem Duell mit Emmanuel Macron ein griffiges Skript durch: die Madonna der Werktätigen gegen den vaterlandslosen Globalisierer. Ihr Rivale, der pragmatische Quereinsteiger Macron, hatte sich nach seinem Erfolg im ersten Wahlgang (er kam auf 24 und sie auf 21,3 Prozent) und klaren Prognosen der Meinungsforscher für seinen Sieg in der Stichwahl (am 7. Mai), anfänglich etwas zu sicher gegeben. Die plastische Show der Nationalistin hat ihn aber wieder auf Trab gebracht.

Die Schlüsselszenen der abgelaufenen Woche gab es bei einem Streikposten vor einer Fabrik der Firma "Whirlpool" bei Amiens in Nordfrankreich. Die US-Eigner wollen die Produktion nach Polen verlegen. Macron, der für eine abendliche Versammlung in seine Heimatstadt Amiens gekommen war, traf mittags in einem Stadtsaal die Betriebsräte von Whirlpool.

Das nützte Le Pen zu einem Überraschungsangriff: sie erschien zum selben Zeitpunkt bei den Arbeitern vor dem Werksgelände in Begleitung ihrer Aktivisten, die warme Croissants verteilten: "Ich bin hier mit den Opfern des nicht-loyalen Wettbewerbs der EU. Mit mir wird die Fabrik nicht schließen, kämpft weiter!". Der Blitzauftritt von Le Pen, weniger als eine Viertelstunde lang, endete mit Applaus, Selfies und Umarmungen.

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Macron, der später vor der Fabrik erschien, hatte zuerst mit Pfiffen zu kämpfen. Die Le Pen-Werber hatten Pfeiferln verteilt. Aber Macron schlug sich bemerkenswert gut angesichts dieser anfänglich eher aufgebrachten Menge: er, der bei TV-Auftritten manchmal einstudierte Leerformeln hölzern vorträgt, argumentierte über eine Stunde mit berührendem Engagement: "Ich werde euch nicht sagen, dass man die Fabrik sicher retten kann. Ich beschwöre euch: glaubt nicht jenen, die euch sagen, die Schließung der Grenzen wäre eine Lösung. Hier nebenan gibt es einen Betrieb, den ihr kennt, weil viele eurer Kinder dort arbeiten. Der exportiert zu 80 Prozent."

Respekt erkämpft

Das reichte natürlich nicht, wie ein anwesender populärer Linksaktivist formulierte, "um die Besiegten der Globalisierung zu überzeugen". Höhnische Zwischenrufe und skeptische Bemerkungen ("Uns braucht niemand, wir sind hoffnungslose Fälle") begleiteten auch das Plädoyer von Macron für einen Umschulungsplan: "Nein, die Situation ist nicht hoffnungslos. Ausbildung ist der Schlüssel. Es gibt Arbeitsplätze, aber sie entsprechen nicht dem, was ihr gelernt habt". Der Abgang von Macron verlief dann entspannter, er hatte sich Respekt erkämpft.

Das Problem ist freilich, dass diese ausführliche Diskussion mit den Arbeitern, von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wurde, während sich die angriffigen Auftritte von Le Pen einprägten. So absolvierte sie anderntags eine Ausfahrt auf einem Fischkutter an der rauen Atlantik-Küste.

Im Fischkutter

Le Pens Botschaft: die EU würde durch ihre Regeln (gegen Überfischung) Frankreichs Fischerei zerstören. Dabei ist das Gegenteil der Fall, und die Ansprüche der britischen Fischer seit dem Brexit lassen ahnen, welches Chaos ausbrechen würde, wenn sich die europäischen Nationen, nach einem Zusammenbruch der EU, diesbezüglich ungebremst in die Haare geraten würden.

Le Pen hat bereits die allermeisten derjenigen um sich geschart, die in Migranten und Muslimen die Quelle allen Übels sehen. Um Macron gefährlich zu werden, muss sie auch andersgelagerte Wähler gewinnen oder in die Enthaltung treiben. So kehrt sie ständig die Gemeinsamkeiten mit dem Linkstribun Jean-Luc Mélenchon hervor, der im ersten Wahlgang auf 19,6 Prozent kam und keine klare Empfehlung für die Stichwahl abgab.

Tatsächlich widerstrebt es vielen Mélenchon-Wählern, für Macron zu stimmen, den sie als Ex-Banker und Befürworter unternehmerfreundlicher Reformen schlicht hassen.

"Weder Le Pen noch Macron"

Als der Vater von Marine Le Pen, Jean-Marie, 2002 in die Stichwahl gelangte, gab es Massendemos linker Jugendlicher gegen Le Pen, wobei klar war, dass die Demonstranten für den bürgerlichen Staatschef Jacques Chirac stimmen würden. Jetzt laufen Schülerdemos unter dem Slogan: "Weder Le Pen noch Macron".

Gegen diese Haltung machen aber immer mehr Persönlichkeiten mobil, die über besonderes Ansehen in ihren jeweiligen Lagern verfügen. So gab der konservative Hardliner und Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy bekannt, er werde Macron wählen, weil mit Le Pen Frankreich "schwerer Schaden" drohe. Und Laurent Joffrin, Chefredakteur der linken Blatts Liberation, warnt: "Hüten wir uns vor der Enthaltung. Die Republik steht auf dem Spiel".