Präsidenten-Rücktritt eröffnet Machtkampf in Algerien
Von Armin Arbeiter
Nach wochenlangen Protesten mit Hundertausenden Demonstranten gab Abdelaziz Bouteflika auf, trat am Dienstagabend mit sofortiger Wirkung zurück.
Für einen Studenten aus Algier ist das nicht genug: „Wir wollen ein neues politisches System. Bouteflika wird gehen, aber dasselbe Regime, das Algerien seit 1962 beherrscht, wird bleiben, wenn wir jetzt nicht weiter protestieren“, sagte er gegenüber dem Nachrichtensender Al Jazeera. Der Sender, der Katars Staatsgewalt untersteht, dürfte in Zukunft viel aus Algerien berichten. Denn Doha unterstützt die Muslimbrüder, und diese sind bereits jetzt die drittstärkste Fraktion im Parlament.
Wie und ob die Proteste weitergehen, steht in den Sternen: Die verschiedensten Gruppen, unter anderem Studenten, Muslimbrüder und liberale Kleinparteien verband die Abneigung gegen Bouteflika. Weitere gemeinsame Ziele dürften sich schwerlich finden lassen. Und das dürfte wiederum dem Militär nützen, das seit der Unabhängigkeit des Landes eine machtvolle Position einnimmt.
20 Jahre lang war Bouteflika der Präsident Algeriens gewesen, hatte in schwierigen Zeiten – wie etwa dem Arabischen Frühling – diplomatisches Geschick bewiesen und anstatt mit Repression mit Zugeständnissen an seine Gegner geantwortet. Allerdings kann der 82-Jährige seit einem Schlaganfall kaum noch sprechen. Er sitzt im Rollstuhl.
Die Demonstranten sahen in ihm nicht mehr den Mann, der die Entscheidungen trifft. Sie sahen ihn als Marionette des Militärs.
Als einer der Männer im Hintergrund gilt der stellvertretende Verteidigungsmister Ahmed Gaid Salah. Nachdem dieser sich für einen Rücktritt seines alten Freundes Bouteflika ausgesprochen hatte, dauerte es nicht lange, bis der Präsident tatsächlich seinen Rücktritt erklärte.
Bouteflika war 1999 als Wunschkandidat des algerischen Militärs zum Präsidenten gekürt worden. Nach einem Bürgerkrieg mit Islamisten in den 1990er-Jahren mit bis zu 200.000 Toten sollte er das Land wieder versöhnen.
Neue Regierung
Erst am Sonntag hatte Bouteflika eine neue Regierung eingesetzt. Dem Schritt würden wichtige Entscheidungen folgen, um das weitere Funktionieren der staatlichen Institutionen sicherzustellen, heißt es in der offiziellen Erklärung. Nach Bouteflikas Rücktritt werde es aber eine Übergangsphase geben.
Wie diese aussehen wird, ist unklar. Jedoch gilt es als wahrscheinlich, dass das Parlament den Vorsitzenden des Senats zum Übergangspräsidenten bestimmt. Dort sitzt Abdelkader Bensalah von der RND – dem Koalitionspartner der Partei Bouteflikas – und dieser dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit den Willen der Regierung weitertragen.