Politik/Ausland

Portugal: Europas letzte Bastion gegen Rechtspopulisten wackelt

"Nicht einmal bis zur nächsten Hausecke" würde er mit den Rechtspopulisten der "Chega"-Partei gehen, versprach Portugals Wahlsieger Luis Montenegro - geschweige denn mit ihnen eine Koalition bilden. Knapp, deutlich und klar fiel bereits Sonntagabend die Absage des Konservativen aus.

Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Populismus? Damit wolle sich die Mitte-rechts-Koalition der "Demokratischen Allianz", mit der Montenegro am Wahltag 29,5 Prozent der Stimmen holte, nicht einlassen.

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Das Problem dabei: Ohne die Stimmen der Chega können weder Portugals Konservative noch die zweitgereihten Sozialisten (28,7 Prozent) eine mehrheitsfähige Regierung bilden. Den plötzlich zur drittstärksten Kraft erstarken Populisten fällt damit die Rolle der Königsmacher zu - mit denen allerdings keine der traditionellen Partei bisher anstreifen wollte. Chega-Chef André Ventura aber lässt das kalt.

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Begeistert feierte er seinen Erfolg: Er holte 18,1 Prozent der Stimmen - und vervierfachte damit die Zahl der Abgeordneten.  Im kleinen Portugal, wo es bisher anders als im Rest Europas nahezu keine Rechtspopulisten gegeben hat, kommt dies einer heftigen Erschütterung gleich. Wilde Ausländerhetze oder EU-Feindlichkeit war bisher im Atlantikstaat kam zu spüren.

Woher rührt diese Wende?

Erst fünf Jahre ist "Chega" alt - und besteht vor allem aus einer, alles beherrschenden Figur: André Ventura, 41-jähriger früherer Fußballkommentator mit grau melierten Dreitagesbart, der redet, als stünde er noch immer auf dem Fußballfeld. Er wettert gegen die Korruption, verspricht seinen Wählern die Verdoppelung und Verdreifachung von Pensionen.

Der Tabubruch

Vor allem aber brachte der der frühere Konservative einen Neuheit in den politischen Diskurs des Landes: den Tabubruch. Er schimpfte über "arbeitsscheue Roma" und wetterte  über den angeblichen Missbrauch von Sozialleistungen.

Nach anfänglich schweren Ausrutschern in die Fremdenfeindlichkeit, mäßigte sich Ventura ein wenig - denn ausgerechnet unter zugewanderten Brasilianern in Portugal fand der Ex-Kommentator eine begeisterte Anhängerschaft. Weshalb Ventura die Kurve in Richtung Pragmatismus nahm: Willkommen sei jeder, der portugiesisch spreche.

Vor allem aber ist Chega eine Protestpartei, die einfach viele Unzufriedene um sich schart. Der polternde Chega-Chef, immer smart gekleidet, sammelte so viele Fans, dass er gar behauptete: Selbst, wenn er jemanden erschießen sollte, würde er gewählt werden - ein berühmter Spruch, den vor ihm bereits Donald Trump von sich gegeben hatte. 

Überhaupt nimmt Ventura gerne Anleihe beim früheren Ex-US-Präsidenten: Ein bisschen Show, viel Gepolter und Versprechen, die sich kaum erfüllen lassen.

In eine Regierung aber wird der neue politischen Star Portugals dennoch kaum einziehen. Traditionell erteilt der Staatspräsident dem Chef der stärksten Partei den Auftrag zur Regierungsbildung.

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Weil auch eine große Koalition in Portugal als wenig wahrscheinlich gilt, befürchten Kommentatoren schon jetzt eine Phase der politischen Instabilität - bis hin zu möglichen Neuwahlen.

Denn noch steht sie, die Brandmauer der traditionellen Parteien in Portugal gegen Rechtsaußen. Deren massiver Zuwachs hat die Mauer allerdings gehörig zum Wackeln gebracht.

Ärmstes Land in Westeuropa

Immer noch gilt Portugal als ärmstes Land Westeuropas. Fast ein Fünftel der rund 10 Millionen Portugiesen leben an der Armutsgrenze. Der Ärger über niedrige Löhne, kleine Pensionen, ein völlig überlastetes Gesundheitssystem, eine sehr hohe Jugendarbeitslosigkeit und vor allem die extreme Wohnungsnot und die für die meisten unbezahlbare Mieten spiegelten sich am Sonntag bei den Parlamentswahlen wider.