Politik/Ausland

Pleitegefahr für Griechenland

Die Eurokrise meldet sich mit einem Paukenschlag zurück - wieder einmal schaut die Europäische Union mit Bangen nach Athen. Eigentlich sollte 2014 für Griechenland das Jahr der Wende zum Positiven sein: Die Wirtschaft schwenkte nach sechs Jahren Schrumpfkurs endlich wieder auf dem Wachstumspfad, der Tourismus brummte, die Exporte wuchsen, sogar der Kapitalmarkt konnte vorsichtig wieder angezapft werden.

Jetzt ist alles schlagartig anders, die Unsicherheit über Griechenlands Zukunft lässt Investoren panisch reagieren. Sorgen vor einer Pleite oder sogar einem Euro-Austritt machen erneut die Runde.

Syriza führt

Der Grund: Die Griechen werden noch im Jänner ein neues Parlament wählen. Am Montag scheiterte die Wahl eines neuen griechischen Staatspräsidenten auch im dritten Anlauf - damit müssen laut Verfassung vorgezogene Parlamentswahlen bis Anfang Februar folgen. Ministerpräsident Antonis Samaras setzte den Termin auf den 25. Jänner fest.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) setzt seine Hilfszahlungen bis zur Bildung einer neuen Regierung aus. Die nächste Kredittranche könne erst ausgezahlt wenn, wenn nach den für Jänner geplanten Neuwahl eine neue Regierung gebildet worden sei, teilte der IWF am Montag in Washington mit.

Alle Inhalte anzeigen
Jetzt sind alle Augen auf Alexis Tsipras gerichtet: Der Anführer des radikallinken Bündnisses Syriza würde allen Umfragen zufolge als stärkste Kraft hervorgehen. Und Tsipras lehnt den harten Sparkurs und die Reformpolitik der Regierung und der internationalen Geldgeber vehement ab. Er kündigte sofort nach dem Scheitern der Präsidentenwahl an, der Rettungsplan der Troika aus EU, EZB und IWF werde schon in wenigen Tagen der Vergangenheit angehören.

Pleite droht

Wie er die vielen Wahlversprechen finanzieren will, ließ Tsipras bisher aber unbeantwortet. Er kündigte lediglich an, eine "Schuldenkonferenz" der hochverschuldeten südeuropäischen Staaten organisieren zu wollen. Einen neuerlichen Schuldenschnitt, der die anderen Eurostaaten und die EZB treffen würde, hat die Troika allerdings kategorisch ausgeschlossen.

Mit den Hilfskrediten in Höhe von 240 Milliarden Euro haben die EU, EZB und IWF das Land bisher vor dem Kollaps bewahrt. Zur Bedingung hatten sie aber harte Reformen auch im Sozialsektor gemacht. Das aktuelle Hilfsprogramm mit der EU läuft Ende Februar aus. Ohne eine Einigung mit den Geldgebern ist die Zukunft ungewiss. Bei einer Abkehr vom Sparkurs und Aufkündigung der Troika-Vereinbarung würde Athen die Zahlungsunfähigkeit drohen: Zwar sind von den Notkrediten nur noch sieben Milliarden Euro ausständig. Griechenland wollte aber im kommenden Jahr an die Finanzmärkte zurückkehren und sich eigenständig über Anleihen finanzieren. Das ist ohne IWF- und EU-Unterstützung völlig illusorisch.

An der Athener Börse sackten die Aktien nach Bekanntwerden des Ergebnisses um mehr als zehn Prozent ab, während die Renditen für griechische Zehn-Jahres-Anleihen auf über neun Prozent stiegen. Auch die Zinsen für spanische und italienische Staatsschuldpapiere kletterten in die Höhe. Der deutsche Börsenindex Dax in Frankfurt rutschte kurzzeitig ins Minus, erholte sich wenig später aber wieder von den Verlusten.

Abfuhr für Koalition

Anlass für die Neuwahlen war die Abfuhr für die Regierungskoalition bei der Präsidentschaftswahl: Ihr Kandidat, der frühere EU-Kommissar Stavros Dimas (73), hatte im Parlament am Montag die notwendige Mehrheit von 180 Stimmen verfehlt. Noch bevor das Votum zu Ende war, hatten sich bei der namentlichen Abstimmung mehr als 121 der insgesamt 300 Abgeordneten der Stimme enthalten. Samaras hatte die Wahl des Staatsoberhaupts um zwei Monate vorgezogen mit der Begründung, damit solle die politische Unsicherheit in dem hoch verschuldeten Land beendet werden. Die nächste Parlamentswahl wäre turnusmäßig erst 2016 angestanden.

EU fordert klares Bekenntnis

EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici hat Griechenland angesichts der Neuwahlen zu einem Festhalten am Reformkurs aufgefordert. Ein klares Bekenntnis zu Europa und eine breite Unterstützung für den Reformprozess seien entscheidend, damit Griechenland innerhalb der Eurozone wieder aufblühen könne, teilte Moscovici am Montag mit. Dies müsse sowohl von der politischen Führung als auch von den griechischen Wählern kommen, die nun erneut über die Zukunft des Landes zu befinden hätten.

Wirtschaftsexperten erwarten trotzdem keine großen Probleme damit, weil Griechenland auch unter einer Tsipras-Regierung von den ausländischen Krediten abhängig sein wird. "Was kann SYRIZA tun? Sie werden die Eurozone nicht sprengen können, die Eurozone ist mittlerweile gut gewappnet", sagt Politologe John Loulis zum KURIER.
Auch Österreichs EU-Kommissar Johannes Hahn sieht die kurzfristig anberaumten Neuwahlen nicht dramatisch. "Die Regierung hat Wirtschaftsreformen durchgeführt, die zu zwei ausgeglichenen Budgets geführt haben. Die Arbeitslosenzahlen sind leicht rückläufig, inzwischen wurden wieder Sozialprogramme gestartet. Die Regierung kann mit Grund hoffen, dass die wirtschaftliche Erholung schon bei den Leuten ankommt."

Griechenland steuert abermals einer ungewissen Zukunft entgegen. Schuldenschnitt, Staatspleite, Euro-Austritt: Sorgen, die längst überwunden schienen, melden sich zurück. Sollte der Linkspopulist und Syriza-Chef Alexis Tsipras Ende Jänner tatsächlich die Wahl gewinnen und wie angekündigt die verhassten Spar- und Reformvereinbarungen mit den Kreditgebern IWF, EU und EZB aufkündigen, stünde der Staat erneut vor der Pleite.

Die Investoren sind wegen der politischen Unsicherheit derzeit jedenfalls nicht bereit, Griechenland Geld zu borgen: Die Zinsen für zehnjährige Anleihen stiegen am Montag um fast einen ganzen Prozentpunkt auf 9,12 Prozent – damit sind Kredite für Athen faktisch unleistbar. Auch für Italien und Spanien verteuerte sich die Kreditaufnahme spürbar, wenn auch auf niedrigem Niveau.

Im März 2015 läuft das EU-Hilfspaket aus – hier sind 7,2 Mrd. Euro ausständig. Der Internationale Währungsfonds hat bis März 2016 noch weitere 11 Mrd. Euro an Hilfskrediten zugesagt. Im Moment brauche Griechenland aber ohnehin kein Geld; man warte die neue Regierung ab, hieß es.

Kurssturz an Börse

Die Nervosität machte vor dem Aktienmarkt nicht halt: Die Börse Athen rasselte am Montag um bis zu zehn Prozent in den Keller, erfing sich danach aber wieder etwas. Die Aktien der fünf börsenotierten Banken lagen sogar bis zu 20 Prozent im Minus.

Die Politkrise erwischt das Land in einem Moment, wo es endlich aufwärts ging. "Wir hatten im Herbst erstmals wieder Exportwachstum – und zwar auf breiter Basis. Das ist seit Dezember wie abgerissen", sagt Gerd Dückelmann-Dublany, der Wirtschaftsdelegierte in Athen, zum KURIER. "Österreichische Firmen erzählen mir, dass ihre griechischen Partner momentan serienweise Aufträge stornieren." Er befürchtet, die lähmende Unsicherheit könnte weit über den Wahltermin hinaus andauern – es drohen langwierige Koalitionsverhandlungen. Die Vertrauenskrise trifft auch den Tourismus, wo zuletzt rund 100.000 neue Jobs geschaffen wurden. "Das heurige Jahr war sehr stark, jetzt machen Meldungen von Buchungseinbrüchen bis zu 50 Prozent für die Sommersaison die Runde", berichtet Dückelmann-Dublany.

Dass Griechenland aus dem Euro austritt, glaubt er nicht. Sogar Tsipras selbst habe das ausgeschlossen. Nach dem harten Sparkurs wäre es aber nötig, den Reformstau aufzulösen – ob das Linksbündnis Syriza das schafft, sei fraglich: Schließlich habe Tsipras angekündigt, sogar eher halbherzige Maßnahmen wie den Beamtenabbau und die Privatisierungen rückgängig machen zu wollen.

Alle Inhalte anzeigen