Paris zielt auf "eigene" Dschihadisten
Von Danny Leder
Es ist in Frankreich kein völliges Novum, nur die Intensität könnte sich zuletzt, im Zuge des Kampfes gegen den IS, verstärkt haben: Die gezielte Tötung von Personen, die als "Landes-Feinde" definiert wurden, und in diesem Fall von Dschihadisten – in einer juristischen Grauzone, aber mit Einverständnis der Staatsspitze.
So enthüllte das Blatt Liberation, dass sich zuletzt die Zahl der im Syrien getöteten französischen oder aus einem frankophonen Staat stammenden Dschihadisten erhöht habe. Frankreichs Militärs dementieren zwar "absichtliche" Zieloperationen gegen gesuchte Einzelpersonen. Aber bei bemannten und unbemannten Luftangriffen gegen den IS im Syrien stünden "eher Kommando-Posten als Trainingslager" im Visier, und dabei könnten frankophone Dschihadisten zufallsbedingt zu Schaden kommen, lässt ein Militärsprecher durchblicken.
Solch ein Zufall dürfte beispielsweise bei einem Luftangriff in der Nähe der IS-Hochburg Rakka Macreme Abrougui ereilt haben. Dieser IS-Sprengmeister stammte aus dem Pariser Vorort Saint Denis und war ein Gefährte der Terrorclique, die das Massaker vom November des Vorjahres in Paris verübt hatte.
Im November und Dezember wurden gleich vier namentlich gesuchte und aus Frankreich stammende IS-Angehörige getötet. Allerdings starben sie bei US-Luftangriffen.
US-Truppen eingesetzt
Denn wenn einmal die von der französischen Justiz gesuchten Dschihadisten von französischen Aufklärungseinheiten geortet sind, werden diese Informationen der gemeinsamen Datenbank der Anti-IS-Militärkoalition zugeführt. Weshalb dann auch US-Streitkräfte auf diese frankophonen Dschihadisten angesetzt werden können.
Liberation erinnert auch daran, dass Präsident Francois Hollande in einem kürzlich erschienen Interview-Buch ("Ein Präsident dürfte so etwas nicht sagen") freimütig erklärt hatte, er habe dem Militärgeheimdienst "selbstverständlich" erlaubt, an Attentätern oder Entführern Vergeltung zu üben.
Die linksliberale Zeitung, die sich gegenüber der SP-Regierung eher wohlwollend verhält, könnte diese Coverstory (mit reißerischem Titel: "Wie Frankreich seine Dschihadisten tötet") auch als eine Art Entgegnung veröffentlicht haben, nachdem die konservative und rechte Opposition der Regierung Versagen im Anti-Terrorkampf vorgeworfen hatte. Der Anlass war die ungehinderte Durchreise des tunesischen Berlin-Attentäters Anis Amri, durch Frankreich. Der Tote hatte Bahnkarten für die Strecke Lyon-Mailand bei sich. Für die Nationalistin Marine Le Pen sei diese Durchreise Amris "symptomatisch für die totale Sicherheitskatastrophe, die der Schengen-Raum darstellt." Und der Sprecher des konservativen Präsidentschaftskandidaten, Francois Fillon, erklärte: "Es ist unglaublich, dass ein von allen Polizeidiensten Europas gesuchter Terrorist in unser Land bewaffnet einreisen und unbehelligt weiterreisen konnte."