Pakistan: Welle von US-Angriffen
Von Stefan Schocher
Barack Obama persönlich ist der Herr über Leben und Tod: Bei den wöchentlichen Anti-Terror-Briefings brüten er und zwei Dutzend Sicherheitsberater meistens dienstags über den Kurzbiografien und Bildern jener, die verdächtig sind – und entscheiden, wer getötet wird. Letztlich ist es Obama, der den Befehl zum Angriff gibt. Es waren viele Angriffe in den vergangenen Wochen. Viele Kurzbiografien, die beendet wurden. Viele Befehle zum Luftschlag. Am Montag war es in Pakistan der dritte binnen drei Tagen. Der vorläufig letzte in einer langen Serie. Er galt Abu Yahya al-Libi, der Nummer zwei der El Kaida. Und der Angriff in der Region Nordwaziristan war erfolgreich, wie ein Sprecher des Weißen Hauses am Dienstag bestätigte: Al-Libi ist tot.
Vor allem in Pakistan ist der Krieg mit den ferngesteuerten Flugzeugen beinahe alltäglich geworden. Sie starten von Afghanistan aus, um ihre tödliche Fracht in den unkontrollierten Stammesgebieten in Pakistan an der Grenze zu Afghanistan loszuwerden. Aktionen, die die pakistanische Regierung über lange Jahre duldete, ohne ein Wort zu verlieren – die jetzt allerdings, angesichts der sich zusehends verschlechternden Beziehungen zwischen den USA und Pakistan, zum Problem werden. Oder zu einem Mittel der USA, wie es Beobachter sehen, Druck auf die Führung in Islamabad auszuüben.
Seit sechs Monaten hält Pakistan seine Transportwege für die in Afghanistan stationierten NATO-Truppe ISAF geschlossen. Anlass war ein nach wie vor ungeklärter NATO-Angriff auf einen pakistanischen Grenzposten mit 24 Toten. Beim NATO-Gipfel vor zwei Wochen hatte es noch sehr danach ausgesehen, als würden die Nachschubrouten bald wieder geöffnet.
Einzementiert
Passiert ist aber nichts. Nur, dass seither in einer bisher kaum gesehenen Dichte Drohnen-Angriffe auf die Grenzgebiete geflogen werden. Mit dem Ergebnis, dass sich die pakistanische Führung einzementiert in ihrer zumindest nach außen hin anti-amerikanischen Rhetorik. Sie verurteilte die Angriffe, wobei ihr Geheimdienst ISI in die praktische Planung zumindest zum Teil eingeweiht sein dürfte.
Seitens der USA lautet der Vorwurf an die pakistanische Führung: Es werde nicht genug getan im Kampf gegen Extremisten, die die Gebiete an der Grenze zu Afghanistan sowohl für ihre internationale Anschlagsplanung als auch für ihre Aktionen in Afghanistan nutzten. Die Drohnen-Angriffe seien daher eine Notwendigkeit.
In Pakistan macht sich dagegen der Eindruck breit, bereits jetzt die meisten Opfer im US-Anti-Terror-Kampf geleistet zu haben – sowohl materiell als auch was den Blutzoll angeht. Und die Drohnen-Angriffe seien nur ein sehr sichtbares von vielen Anzeichen dafür, dass die Amerikaner die pakistanischen Bemühungen in diesem Kampf nicht würdigten.
Aber gerade an diesem Kampf haben die USA ihre Zweifel. So hatte sich Osama bin Laden jahrelang in einer pakistanischen Garnisons-Stadt verstecken können. Und seitens der ISAF hatte es immer wieder Wortmeldungen und Berichte über die destruktive Rolle des pakistanischen Geheimdienstes ISI in Afghanistan gegeben: Nämlich, dass der ISI aktiv sein Interesse verfolge, die Lage in Afghanistan instabil und die afghanische Regierung möglichst schwach zu halten. Pakistans Anti-Terror-Kampf hatte auch die Verurteilung eines Arztes zu 33 Jahren Haft aus amerikani scher Sicht in ein schiefes Licht gerückt. Der Mann war von einem staatlich anerkannten Stammesgericht wegen Hochverrats verurteilt worden, weil er der CIA geholfen hatte, über DNA-Spuren bin Laden ausfindig zu machen. Die amerikanische Antwort: Dienstags-Beratungen und Drohen-Angriffe.
Die und vor allem die Berichte über die vielen zivilen Opfer solcher Luftschläge aber heizen wieder die ohnehin starke anti-amerikanische Stimmung in Pakistan gefährlich an – was wieder die schwächelnde pakistanische Regierung in Zugzwang bringt, den USA die Stirn zu bieten.
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