Anschläge bringen Führung vor Wahlen in Bedrängnis
Von Stefan Schocher
Vor allem vor den Parlamentswahlen kommenden Mai werfen die Tumulte in der westpakistanischen Stadt Quetta ein denkbar schlechtes Licht auf die Arbeit pakistanischer Sicherheitsdienste und damit auf die Regierung.
Am Samstag hatten Extremisten in der Stadt auf einem belebten Markt eine Tonne Sprengstoff gezündet und 84 Menschen getötet. Die meisten von ihnen waren Hazara, eine Minderheit mongolischer Abstammung, überwiegend schiitisch, die vor allem durch ihre charakteristischen Gesichtszüge deutlich erkennbar ist – und damit für sunnitische Extremisten ein leichtes Ziel abgibt. Es war nicht der erste Anschlag. Diesem aber folgten tagelange Proteste im gesamten Land.
Von einem Genozid an Schiiten ist die Rede. In milderem Sprachgebrauch zumindest davon, dass Pakistans Sicherheitsdienste, allen voran der Geheimdienst ISI, mindestens auf einem Auge blind seien, wenn es um Gewalt an Hazara geht. Und viel mehr vor allem – und das über konfessionelle und ethnische Grenzen hinaus – vom Totalversagen des ISI.
„Was wir hier sehen, ist die direkte Folge der Unterstützung der CIA und des ISI für Mudschaheddin gegen die Sowjets in Afghanistan“, sagt Mohammad Reza Wakil, Sprecher der Hazara Democratic Party in Quetta (HDP), der wichtigsten politischen Vertretung der Hazara in Pakistan, im Gespräch mit dem KURIER. „Diese Leute wurden vom ISI ausgebildet, werden noch immer von ihm bewaffnet, sie werden vom ISI noch immer nach Kaschmir geschickt und auch heute noch nach Afghanistan“, sagt er. Und, dass er nicht glauben könne, dass ein Dienst wie der ISI nicht wisse, wo mit ihm verbundene Gruppen in einer Stadt wie Quetta mit ihren nur knapp 900.000 Einwohnern steckten. Zumindest vorerst aber, so Mohammad Reza Wakil, habe die Regierung Maßnahmen ergriffen. Aber, so sagt er: „Wie können wir ihnen trauen?“
Die Verstrickungen zwischen ISI und extremistischen Gruppen boten immer wieder Gegenstand für Spekulationen. Offen wurde darüber aber nie gesprochen, weil es bisher ein Tabu war. Jetzt prangern Journalisten diesen Umstand aber sogar im staatlichen TV öffentlich vor einem Millionenpublikum an – und das vor Wahlen.