Obama stimmt humanitärer Hilfe für Ostukraine zu
Kiew hat Montagabend bekannt gegeben, dass US-Präsident Barack Obama einer humanitären Hilfsaktion unter Leitung des Internationalen Roten Kreuzes in der Ostukraine zugestimmt habe. Daran sollen sich die EU, Russland, Deutschland und andere Partner beteiligen, wie der ukrainische Präsident Petro Poroschenko am Montag mitteilte.
Offensive und Gegenoffensive im Osten
Die ukrainische Armee steht indes nach eigenen Angaben kurz vor der Einnahme der Rebellenhochburg. Die Truppen hätten beträchtlich an Boden gewonnen und einen Keil zwischen die pro-russischen, separatistischen Kämpfer getrieben, sagte Militärsprecher Andrii Lysenko am Montag in Kiew. Die Regierungstruppen hätten nun Donezk von der anderen Rebellenhochburg Lugansk an der Grenze zu Russland abgeschnitten. "Die Truppen des Anti-Terror-Einsatzes bereiten sich auf den letzten Schritt zur Befreiung von Donezk vor", sagte Lysenko der Nachrichtenagentur Reuters. "Unsere Soldaten haben Donezk komplett von Luhansk abgeriegelt", sagte er. "Wir arbeiten daran, beide Städte zu befreien, aber es ist besser, zuerst Donezk zu befreien - es ist wichtiger."
Die Regierung in Kiew hatte am Sonntag eine Feuerpause im Kampf gegen die Separatisten abgelehnt. Diese hatten sich zu einer Waffenruhe bereit erklärt, um der Bevölkerung in den belagerten Städten Donezk und Luhansk zu helfen. Sie relativierten dieses Angebot später jedoch.
Folgt die Gegenoffensive?
Die pro-russischen Separatisten der "Volksrepublik Donezk" haben ihrerseits Montagnachmittag eine Gegenoffensive angekündigt. Sie soll in den kommenden zwei bis drei Tagen erfolgen. Nähere Details nannte Anführer Alexander Sachartschenko vor Journalisten nicht. Der gebürtige Ostukrainer hatte in der vergangenen Woche den Russen Alexander Borodai an der Spitze der Rebellenbewegung abgelöst und damit Hoffnungen auf eine Deeskalation geschürzt. Die ukrainische Armee hatte erklärt, sie habe Donezk von der zweiten Rebellenhochburg Luhansk abgeschnitten und bereite die Einnahme der Stadt vor.
Eingekesselt
Die Separatisten kämpfen seit Monaten für eine Abspaltung der Industrieregion von der Ukraine. Bei den Gefechten mit den Regierungstruppen sind sie in die Städte Donezk und Luhansk zurückgedrängt worden. Am Montag beschossen die Regierungseinheiten Stellungen in Donezk wieder mit schwerer Artillerie. Nach heftigem Granateneinschlag seien Krankenwagen und Löschfahrzeuge zu den betroffenen Vierteln gerast, teilte die Verwaltung der Großstadt am Montag mit. Über einigen Stadtteilen stehe dichter Rauch.
Russland warf der Ukraine erneut den Beschuss seines Grenzgebiets vor. In der Region Rostow seien mehrere Granaten eingeschlagen, teilte der für den Grenzschutz zuständige Inlandsgeheimdienst FSB mit. Die Munition sei nur 300 Meter von einem Wohnhaus entfernt detoniert. Russland hatte in den vergangenen Wochen wiederholt Beschuss von ukrainischer Seite beklagt. Dabei starb mindestens ein Zivilist, mehrere Häuser wurden beschädigt.
Ein Geschoss schlug am Montag auch in ein Straflager in Donezk ein. In einem anschließenden Tumult sollen mehr als 100 Häftlinge geflohen sein, so die Stadtverwaltung. Etwa 30 von ihnen seien wenig später in das Hochsicherheitsgefängnis zurückgekehrt, sagte ein Sprecher der Strafvollzugsbehörde.Ein Häftling kam ums Leben.
"Kinder" steht auf dem Schild. Die Menschen in Donezk leiden unter dem Konflikt
Die humanitäre Lage im Kampfgebiet wird immer prekärer. Falls Russland wie beabsichtigt Hilfsgüter in das Konfliktgebiet schicken wolle, dürfe dies nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Ukraine geschehen, betonte Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Die Führung in Kiew und der Westen verdächtigen Moskau, unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe Soldaten zur Unterstützung der Aufständischen entsenden zu wollen.
NATO: Russischer Einmarsch möglich
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hält es nach eigenen Worten für sehr wahrscheinlich, dass Russland militärisch in den Konflikt in der Ostukraine eingreifen könnte. Es gebe keine Hinweise, dass Russland seine Truppen im Grenzgebiet zur Ukraine verringere, sagte Rasmussen am Montag in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters in Brüssel. Auf die Frage, wie hoch er das Risiko einer militärischen Intervention Russlands im Konflikt zwischen Separatisten und der ukrainischen Führung einschätze, sagte Rasmussen: "Es gibt eine hohe Wahrscheinlichkeit." Russland entwickle derzeit den Kontext für einen solchen Einsatz unter dem Deckmantel einer humanitären Hilfsaktion.
Russland hat inzwischen nach Darstellung der ukrainischen Regierung an der gemeinsamen Grenze 45.000 Soldaten in Stellung gebracht. Die Streitkräfte hätten auch schweres Kriegsgerät wie 160 Panzer, bis zu 150 Raketenwerfer vom Typ Grad, 192 Kampfflugzeuge und 137 Hubschrauber aufgefahren, sagte der Sprecher der ukrainischen Streitkräfte, Andrej Lisenko, am Montag.
Putin stattet Krim am Donnerstag Besuch ab
Der russische Präsident Wladimir Putin begibt sich am Donnerstag auf die Schwarzmeerhalbinsel Krim, die Russland im März in sein Staatsgebiet eingegliedert hatte. Wie der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag mitteilte, wird Putin dort mit Abgeordneten des russischen Parlaments zusammentreffen und eine Rede halten. Die Nachrichtenagentur RIA Nowosti zitierte den Sprecher mit den Worten, die Abgeordneten "fast aller" in der Duma vertretenen Parteien würden anwesend sein.