Orbáns zerstrittene Herausforderer
Ein sicherer Sieg war kalkuliert, eine unerwartete Niederlage wurde daraus. Vor acht Wochen wurde im verschlafenen Kreisstädtchen Hódmezövásárhely der Bürgermeister gewählt – und der wurde nicht der favorisierte Kandidat von Viktor Orbáns Regierungspartei FI DESZ, sondern der Kandidat der Opposition.
Seither sitzt der Wirtschaftsexperte Péter Márki-Zay dort im Rathaus, schlägt sich mit den Korruptionsaffären der FIDESZ und ihrer Günstlinge herum und versucht – auch gegenüber dem KURIER – eine politische Botschaft anzubringen: „Nur wenn die Opposition zusammenhält, kann man FIDESZ schlagen.“ Márki-Zay ist das gelungen, auch weil sich der gläubige Katholik lange dem Ruf, in die Politik zu gehen, widersetzt hat – solange bis sich linke und rechte Parteien auf ihn einigten.
Vor den Parlamentswahlen morgen, Sonntag, ist das nur sehr teilweise geglückt. Zu weit auseinander liegen die politischen Lager – und zu zerstritten ist vor allem die Linke. Die ehemalige sozialdemokratische Regierungspartei MSZP hat sich aufgespalten. Ex-Premier Ferenc Gyurcsány versucht es mit seiner eigenen Kleinpartei und krebst in Umfragen bei ein paar Prozent herum. Die ebenfalls rasant abgestürzte MSZP hat sich in ihrer Not einen Spitzenkandidaten bei einer Kleinstpartei ausgeborgt. Der 42-jährige Politikwissenschaftler Gergely Karácsony hat zwar persönlich inzwischen Popularitätswerte, die sogar an jene Viktor Orbáns herankommen, das Image der Sozialdemokraten als Erben der Kommunisten, die außerdem in ihrer Regierungszeit ( bis 2010) ähnliche Korruptionsaffären produziert haben wie heute Orbáns FIDESZ, hängt trotzdem wie ein Klotz an ihm.
Bürgerbewegung
Wirklich neu ist dagegen die Bürgerbewegung Momentum. Entstanden ist sie aus einer Protestbewegung gegen die von Orbán favorisierte Bewerbung von Budapest für die Olympischen Spiele. Inzwischen hat man bei den Bildungsschichten und in den großen Städten einigen Rückhalt. Doch nach mehr als ein paar Prozent und vielleicht dem Sieg eines lokalen Kandidaten in Budapest sieht es derzeit nicht aus.
Problemfall Jobbik
So ruft man auch bei Momentum nach einer Zusammenarbeit der Opposition, sieht aber dabei – wie auch die Sozialdemokraten – ein Hauptproblem: Jobbik. Die lange als rechtsextreme Gefahr verdammte Partei drängt bei dieser Wahl in die politische Mitte. Orbáns FIDESZ, so analysieren politische Beobachter, sei inzwischen so weit nach rechts gerückt, dass für Jobbik dort kein Platz mehr sei.
Tatsächlich distanziert sich Parteichef Gábor Vona von früheren Entgleisungen, etwa gegen Roma, und überlässt die Attacken gegen Flüchtlinge Orbán. Vielmehr präsentiert man sich als Konservative mit sozialen Anliegen. Laut Umfragen liegt man damit zwar deutlich hinter FI DESZ, aber weit vor allen Mitbewerbern in der Opposition. Vor allem außerhalb der Großstädte ist Jobbik als einzige Partei mit ihrer Wahlwerbung präsent. Schon deshalb, meint auch Bürgermeister Márki-Zay, komme man an ihnen als Partner nicht vorbei, auch wenn er der Bekehrung nicht so recht glauben will: „So leicht kommen die vom rechten Rand nicht weg.“