Orbans Kampfansage gegen Obdachlose
Ungarns Verfassungsgericht hat der rechtsnationalen Regierung von Premier Viktor Orban vor wenigen Wochen einen Strich durch die Rechnung gemacht: Das Gericht kassierte ein Gesetz, das drakonische Strafen für Obdachlose vorsah. Geldbußen von bis zu umgerechnet 500 Euro mussten die Obdachlosen zahlen – sonst drohten bis zu 60 Tagen Haft. Doch dieses Gesetz, so urteilte das Verfassungsgericht, verletze die Menschenwürde. Der Kampf der Regierung gegen die geschätzten 30.000 bis 50.000 Obdachlosen im Land aber ist damit nicht zu Ende: Orban kündigte eine briefliche Befragung aller Ungarn in größeren Städten darüber an, ob Obdachlose sie stören. Kommt ein „Ja“ zurück, peilt die FIDESZ-Regierung eine Verfassungsänderung an. Damit sollen Gemeinden die Vollmacht haben, Obdachlose von Straßen und öffentlichen Plätzen zu verbannen, wie es bereits im 8. Bezirk in Budapest geschah.
Eisige Nächte
Eine Verfassungsänderung durchzubringen, wäre für die Regierung kein Problem: Sie hält im Parlament mehr als zwei Drittel. Doch für die Tausenden Obdachlosen im Land würde die Lage noch schwieriger. Staat und Gemeinden haben insgesamt nur rund 10.000 Plätze für die Gestrandeten der Gesellschaft. Mitarbeiter einer Betreuungsorganisation warnen: „Wenn das neue Gesetz kommt, wird jede Gemeinde Obdachlose verbannen. Und wo sollen sie dann hin?“ Lebensbedrohlich wird diese Situation im Winter. Allein im Vorjahr sind laut Bürgerrechtsgruppen bis zu 60 Obdachlose erfroren – was die Regierung bestreitet. Dieser droht indes schon der zweite Dämpfer von Seiten des höchsten Gerichts: Staatspräsident Janos Ader wies die Richter an, Orbans umstrittenes Wahlgesetz nochmals zu überprüfen. Es beinhaltet, dass Wähler sich künftig registrieren sollen; Kritiker befürchten mit dem Gesetz eine Einschränkung des Wahlrechts.