Politik/Ausland

Orban in Wien: Abreise ohne Antwort

Da sitzt er nun, der Mann, den sie in Brüssel den „Diktator“ nennen. Und wenn Viktor Orbán an diesem verregneten Freitag in Wien noch etwas gelingen kann, dann allenfalls das: Er will Österreich und Europa zeigen, dass er eines sicher nicht ist: nachtragend. Seine Bühne ist die ungarische Botschaft, ein barockes Innenstadt-Palais, dessen Wände Bilder von Maria Theresia und Kaiser Franz Joseph schmücken. Der Ort zeugt von Gemeinsamkeit, kein Zweifel daran – aber eben nur der Ort. Denn von der Unterredung, die Ungarns Regierungschef eine Stunde zuvor mit Bundeskanzler Werner Faymann hatte, ist wenig Substanzielles geblieben. „Es war wichtig, dass es dieses Gespräch gegeben hat“, ist in etwa das Positivste, was Faymann über das Treffen zu berichten hat. Eine gemeinsame Pressekonferenz? Eine gemeinsame, schriftliche Erklärung? Nichts von alledem war möglich.

Und deshalb sitzt Orbán jetzt vor einer ungarischen Staatsflagge in einem großen Barocksaal seiner Wiener Botschaft und versucht vor 15 Kameras zu erklären, warum er sich nichts vorzuwerfen hat. „Ich habe zu Faymann gesagt: Wir wollen die Nazi-Vorwürfe vergessen, so absurd sie auch sind. Wir wollen vergessen, dass behauptet wird, wir würden die Menschenrechte nicht achten. Wir sind bereit so zu tun, als wäre all das nie passiert. “

Strache-Absage

Orbán meint das versöhnlich – immerhin war er es, der auf Faymann zuging, um ein Gespräch bat. Und immerhin habe er auch dem Wunsch seiner Gastgeber entsprochen, den freiheitlichen Parteichef Heinz-Christian Strache nicht zu treffen. Ich treffe ihn nicht, weil ich mit euch rede und euch schätze, lautete Orbáns Botschaft an Faymann & Co. Man soll derlei Gesten nicht zu gering schätzen, und vermutlich hat der Kanzler dies auch nicht getan. Aber letztlich hapert es an einer anderen, einer grundsätzlichen Frage, auf die Orbán keine Antwort bekam. Und diese lautet: Was wollt ihr eigentlich?

„Ich habe Faymann um eine klare Antwort gebeten. Entweder folgt Ungarn dem kroatischen Wunsch und reißt alle Zäune ab, um einen Korridor nach Österreich und Deutschland zu organisieren.“ Oder aber man tue das, was EU-Verträge und -Recht vorschreiben: die Schengen-Außengrenze schützen – notfalls mit Zäunen.

Nein zu beidem, zu Korridor und Zäunen, das hält Orbán nicht nur für unlogisch, sondern auch für gefährlich. Er weiß, dass das als herzlos empfunden wird. „Es ist kein gutes Gefühl, einen Zaun zu bauen“, sagt er deshalb; und wenn er Österreichs „Welcome-Partys“ beglückwünscht und als „schönes Zeichen des Humanismus“ lobt, dann glaubt man ihm in diesem Moment. Am Ende ist es aber wohl auch so, dass Orbán seinen Wiener Amtskollegen für einen pathologischen Optimisten hält. „Die Hälfte Europas glaubt, die Zuwanderung sei kein Problem“, sagt der Ungar. Viktor Orbán gehört zur anderen Hälfte. Zu jener, die die 250.000, die bis Jahresende hierher flüchten, als Problem sieht. „Die Menschen müssten in Griechenland aufgehalten werden“, sagt er. Weil niemand es tut, muss eben Ungarn konsequent sein. Die Alternative ist für Orbán einfach. „Sonst ist Schengen tot.“

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hält das Dubliner Abkommen mit den Regeln für Asylanträge in Europa für veraltet. "Das Dubliner Abkommen ist eine Regelung aus Zeiten, in denen die Migration ein Phänomen anderer Dimensionen war", so Mogherini im Interview mit der römischen Tageszeitung La Repubblica.

Der Flüchtlingsnotstand müsse als europäisches Problem in Angriff genommen werden. "Heute ist klar, dass kein Land von Griechenland bis Deutschland allein das Flüchtlingsphänomen mit eigenen Kräften bewältigen kann. Europa ist nicht nur notwendig, sondern unersetzbar. Das ist, was wir derzeit lernen", so Mogherini.