Notfall: Netanjahu für Herzschrittmacher-OP im Krankenhaus
Kurz vor einer entscheidenden Abstimmung im Parlament zum geplanten Justizumbau bekommt Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu einen Herzschrittmacher. "Mir geht es großartig, aber ich höre auf meine Ärzte", teilte der 73-Jährige überraschend in der Nacht auf Sonntag in einer Videobotschaft mit. Die Operation findet demnach im Scheba-Krankenhaus bei Tel Aviv statt.
Seine rechtsreligiöse Regierung will einen Kernteil ihrer höchst umstrittenen Pläne an diesem Sonntag in Jerusalem dem Parlament (Knesset) vorlegen. Die Beratung über den Gesetzentwurf beginnt um 09.00 Uhr (MESZ). Mit der endgültigen Abstimmung wird frühestens am Montagnachmittag gerechnet.
Tagsüber sind mehrere Kundgebungen von Gegnern sowie Befürwortern des Vorhabens geplant. Das Gesetz ist Teil eines größeren Pakets, das von Kritikern als Gefahr für Israels Demokratie eingestuft wird.
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Laut Netanjahu soll am Sonntagnachmittag wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden und zur Abstimmung im Parlament anwesend sein. Bemühungen über einen Kompromiss mit den Gegnern gingen auch in seiner Abwesenheit weiter.
Vergangenes Wochenende war Netanjahu überraschend ins Krankenhaus eingeliefert worden. Damals hieß es, er sei zu lange ohne Wasser und Kopfbedeckung in der Sonne gewesen. Ein anschließend angebrachtes Herzüberwachungsgerät habe nun gepiept; eine sofortige Operation sei nötig.
Gleichzeitig fanden erneut Proteste in Israel statt
Am Samstag waren mehrere Hunderttausend Menschen gegen die geplante Schwächung der Justiz auf die Straße gegangen. Im Zentrum der Küstenstadt Tel Aviv versammelten sich nach Schätzungen des Senders "Channel 13" rund 170.000 Menschen, in Jerusalem 85.000. Vereinzelt kam es Medienberichten zufolge zu gewaltsamen Zusammenstößen mit der Polizei. Mehrere Demonstranten wurden festgenommen.
Organisatoren der Proteste gaben die Zahl der Teilnehmer landesweit mit mehr als einer halben Million an. Es wäre damit einer der größten Protesttage seit Beginn der Demonstrationen Anfang Januar. Israel hat rund 10 Millionen Einwohner.
Seit mehr als einem halben Jahr spaltet der geplante Justizumbau weite Teile der israelischen Gesellschaft. Auf Protestschildern in Tel Aviv war etwa zu lesen "Netanjahu der Feind der Demokratie" oder "Rettet unsere Heimat". Viele Israelis in der Millionenmetropole haben Angst, dass sich Israel mit dem Gesetzespaket fundamental verändern könnte.
Selbst das Militär schließt sich teilweise Protesten an
Zuletzt nahm auch der Widerstand innerhalb des Militärs zu. Am Samstag kündigten rund 10.000 Reservisten an, nicht mehr zum Dienst zu erscheinen, sollte die Regierung ihre Pläne nicht stoppen. Berichten zufolge könnte dies die Einsatzbereitschaft des Militärs erheblich beeinträchtigen.
Am Freitag hatten bereits mehr als 1.000 Reservisten der Luftwaffe mit Dienstverweigerung gedroht. Daraufhin gab Verteidigungsminister Joav Galant bekannt, sich um einen "Konsens" zu bemühen. Medienberichten zufolge soll er versuchen, die für Montag geplante Abstimmung zu verschieben. Bislang waren Verhandlungen über einen Kompromiss erfolglos.
Tausende zogen am Samstagabend auch zum Hauptquartier des Dachverbands der Gewerkschaften (Histadrut) in Tel Aviv und forderten den Ausruf eines Generalstreiks. Histadrut-Chef Arnon Bar-David hielt unterdessen Beratungen über das weitere Vorgehen ab.
Darum geht es bei der Justizreform
Dem Höchsten Gericht des Landes soll es mit dem Gesetz nicht mehr möglich sein, eine Entscheidung der Regierung oder einzelner Minister als "unangemessen" zu bewerten. Kritiker befürchten, dass dies Korruption und damit auch die willkürliche Besetzung wichtiger Posten und Entlassungen begünstigt. Die Netanjahu-Regierung wirft der Justiz dagegen vor, sich zu sehr in politische Entscheidungen einzumischen.
Der Vorsitzende der Rechtsanwaltskammer, Amit Becher, kündigte in Jerusalem an, bei einer Verabschiedung dagegen vorzugehen. "Sollte die Regierung am Montag den Angemessenheitsstandard aufheben, werden wir am Dienstag eine Petition beim Höchsten Gerichtshof einreichen."