Neue Chance für Blauhelme am Golan
Von Armin Arbeiter
„Lieber den IS an der Grenze als den Iran“ – dieser Überzeugung waren und sind einige israelische Generäle und Politiker, etwa der ehemalige Verteidigungsminister Moshe Yaalon.
Die Fähigkeiten und Möglichkeiten einer iranischen Armee seien jenen der Terrormiliz „Islamischer Staat“ haushoch überlegen, argumentierte er bereits 2016. Zwei Jahre später sind die letzten sunnitischen Milizen von der syrisch-israelischen Grenze vertrieben. Iranische Truppen stehen jetzt direkt an der Grenze.
Nur dank ihrer Hilfe war es der Armee von Syriens Machthaber Bashar al-Assad in der Nacht auf Dienstag gelungen, die letzte Enklave des IS am Golan einzunehmen. Assads Truppen kontrollieren derzeit die Truppentrennungszone, die seit 1974 von der UN-Mission UNDOF überwacht wird. Nun könnte es möglich sein, dass die Blauhelme – die nach wie vor dort im Einsatz sind – nach Jahren des Bürgerkriegs wieder eine tatsächlich entmilitarisierte Zone übernehmen können. Russland zumindest, Assads Schutzmacht, stellt diesen Plan offen in den Raum. Der russische Botschafter in Israel, Anatoly Viktorov, sprach in einem Interview mit dem Sender Channel 10 davon, das Truppentrennungsabkommen zwischen Israel und Syrien wieder herzustellen. Das würde bedeuten, dass die syrische Armee zwar die ihrerseits besetzten Gebiete am Golan verlassen müsse, ebenso die Iraner.
Für viele UNDOF-Soldaten wäre das eine unbekannte Situation: Von den Ländern, die bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs Truppen stellten (darunter 39 Jahre lang Österreich), kennen nur die Inder eine Mission ohne tägliche Kampfhandlungen.
2014 musste die Mission ihr Hauptquartier, das Camp Faouar in Syrien, aufgeben und auf die israelische Seite flüchten, erst zwei Jahre später bezog sie wieder das nunmehr zerstörte Camp.
Zu dieser Zeit stand beinahe das gesamte UNDOF-Gebiet unter Kontrolle von verschiedenen Rebellenkräften – von moderaten Kräften über radikalislamische bis hin zu einem Ableger des IS in der südlichen Zone.
Israel war dieser instabile Zustand an der Grenze nur recht, israelische Ätzte behandelten sogar verletzte syrische Rebellen und Zivilisten in israelischen Krankenhäusern. „Die Dschihadisten sind keine strategische Bedrohung, sondern allenfalls eine taktische oder operative. Damit können wir umgehen“, sagte zu dieser Zeit ein israelischer General.
Dass die Situation für Israel ernst ist, zeigen die zahlreichen Luftangriffe der vergangenen Monate auf meist iranische Stützpunkte mitten in Syrien. Auch wenn israelische Jets bereits früher Bombardements auf angebliche Hisbollah-Lager in der Nähe von Damaskus durchgeführt hatten, geschah dies nie in einer Vehemenz wie in der jüngeren Vergangenheit.
Der Abschuss eines syrischen Kampfjets, der in israelisches Territorium eingedrungen war, verschärft die Lage zusätzlich.
Schiitische Präsenz
„Der Iran muss sich aus ganz Syrien zurückziehen“, fordert der israelische Premier Benjamin Netanjahu immer wieder. Seine Regierung will unbedingt verhindern, dass sich Teheran dauerhaft militärisch in Syrien einnistet und somit neben der libanesischen Hisbollah eine zweite schiitische Front gegen Israel aufbaut. Schätzungen zufolge befinden sich derzeit 3000 iranische Soldaten und 10.000 von Teheran bezahlte schiitische Söldner auf syrischem Staatsgebiet, außerdem kämpfen 6000 Hisbollah-Krieger an Assads Seite.
Um eine dauerhafte iranische Präsenz in Syrien zu verhindern, trifft sich Benjamin Netanjahu regelmäßig mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Anfang vergangener Woche bot der russische Außenminister der israelischen Regierung einen Deal an: Wenn Russland dafür sorgt, dass iranische Truppen 100 Kilometer von der Grenze fernbleiben, solle Israel erstens akzeptieren, dass Assad syrischer Präsident bleibt und zweitens Luftangriffe auf syrisches Staatsgebiet unterlassen. Israel lehnte ab, das Angebot sei unzureichend.
Im Interview mit Channel 10 sagte Viktorov zur Iran-Causa: „Russland kann die iranischen Streitkräfte nicht dazu zwingen, Syrien zu verlassen.“
Die Möglichkeit, dass am Golan wieder ein verheerender Krieg ausbricht, ist gegeben – genauso aber auch, dass UNDOF so wie früher ihren ureigenen Auftrag vollständig wahrnehmen kann: Den Waffenstillstand in einer entmilitarisierten Zone zu überwachen.