Nach Massaker an Studenten: Wut kocht über
Von Irene Thierjung
Der Schmerz bringt mich um", sagt Maria Micaela Hernandez. "Es zerreißt mich innerlich." Die Mexikanerin hat vor sechs Wochen ihren Sohn Abel verloren – er war einer der 43 von der Polizei der Stadt Iguala verschleppten und dann vermutlich von einem Drogenkartell ermordeten Lehramtsstudenten.
Das Massaker wirft ein Schlaglicht auf die enge Verflechtung zwischen Polizei, Politik und Organisiertem Verbrechen in Mexiko, die das Land unregierbar macht. Seit Wochen gehen wütende Bürger auf die Barrikaden. Erst am Mittwoch attackierten Lehrer das Bildungsministerium und das Regionalparlament des Bundesstaats Guerrero, in dem Iguala liegt.
Landesweit fordern Demonstranten eine objektive Aufklärung des Verschwindens der 43 Studenten aus einfachen Verhältnissen. Die sei nicht gewährleistet, weil die Kooperation zwischen Drogenmafia und Politik bis in die Regierung reiche, die die Ermittlungen von lokalen Behörden übernommen hat.
Wie eng diese mit den Kartellen verbandelt sind, wird immer deutlicher. Am 26. September, dem Tag des Verschwindens der Studenten, hielt die Frau des mittlerweile verhafteten Bürgermeisters von Iguala, Jose Luis Abarca, eine Rede. Diese sollte keinesfalls gestört werden – also ließ Abarca die aus dem links-radikalen Milieu stammenden Studenten, die in Iguala Spenden gesammelt und mehrere Busse gekapert hatten, angreifen und verhaften. Die Polizei übergab sie Mitgliedern des Kartells "Guerreros Unidos" (GU), das nach 2009 als eine von mehreren Splittergruppen aus dem übermächtigen Beltran-Leyva-Kartell hervorgegangen war und wie einst dieses enge Kontakte zur Regierung von Iguala unterhält. Die Begründer der GU waren die Brüder der Bürgermeister-Ehefrau.
Konkurrenzkämpfe
Kleine Kartelle wie GU sind nicht in der Lage, in großem Stil Drogen in die USA zu schmuggeln. Sie finanzieren sich vor allem durch Erpressung, Schutzgeld und Entführungen und führen blutige Konkurrenzkämpfe – was die Lage für die Zivilbevölkerung noch gefährlicher macht, als wenn ein einziges großes Kartell das Sagen hat.
Als den "Guerreros" die Studenten übergeben wurden, glaubten sie, Mitglieder einer verfeindeten Bande vor sich zu haben. Wie drei Verhaftete am Wochenende aussagten, wurden die jungen Männer erschossen, verbrannt und ihre Überreste in einem Fluss entsorgt. Die wenigen gefundenen Zähne werden in Innsbruck untersucht und mit der DNA der Vermissten abgeglichen. Die Angehörigen geben die Hoffnung noch nicht auf: "Wie können wir glauben, dass sie tot sind, wenn es keine Beweise gibt? Keine Leichen, nur Asche."