Nach Liebestrip in Wien: Le Pens rechte Hand geoutet
Von Danny Leder
Wer die jüngste Ausgabe des Pariser Klatschblatts Closer in der Hand hält, könnte eine Auftragsstory der österreichischen Fremdenverkehrs-Werbung vermuten: „Um sich, nur zwei Flugstunden von Paris entfernt, vom Stress zu lösen“, gäbe es „nichts netteres als zwei Tage lang in Wien, der sowohl coolen als auch traditionellen Hauptstadt Österreichs, Luft zu schnappen“, schwärmt das Blatt, das von einer halbe Million Franzosen gelesen wird. Aber der Artikel, der in Frankreich zum politischen Tagesgespräch geworden ist, zielt, wenn auch nur andeutungsweise, auf die homosexuelle Beziehung zwischen Florian Philippot, einem führenden Politiker des rechtspopulistischen „Front National“, und einem TV-Journalisten.
Homo-Ehe entzweit Front National
Philippot will gegen Closer wegen „Verstoßes gegen die Achtung des Privatlebens“ Anzeige erstatten. Marine Le Pen hofft auf eine „Verurteilung dieses Dreckfetzens“. Politisch brisant ist die Story, weil eine rechtskatholische Anti-Homo-Strömung zum historischen Kern des FN zählt. Aus diesen Reihen dürfte auch der Tipp an Closer für diese Reportage gekommen sein. Diese Strömung bedauert die zweideutige Haltung des FN bezüglich der Homo-Ehe, die von der Linksregierung 2013 eingeführt wurde. An den vorjährigen Massendemonstrationen vor allem konservativ-katholischer Familien gegen die Homo-Ehe beteiligten sich zwar die meisten FN-Politiker, nicht aber Marine Le Pen. Closer erinnert auch daran, dass es Philippot war, der Marine Le Pen vor einer Teilnahme an diesen Demos abriet.
Marine Le Pen will zwar auch die Homo-Ehe wieder abschaffen und durch einen Partnerschaftsvertrag ersetzen. Außerdem möchte sie die in Frankreich geltende Vergütung der Abtreibung durch die Krankenkasse kippen. Trotzdem versucht sie gleichzeitig ein Image der Toleranz in Sittenfragen zu pflegen. Es ginge auch nicht anders: sie ist zweifach geschieden und lebt in einer Partnerschaft ohne Ehe. Außerdem präsentiert sie sich gelegentlich als Verteidigerin der Homosexuellen gegen den islamischen Fundamentalismus. Einzelne Persönlichkeiten aus Homosexuellen-Bewegungen haben sich dem FN angeschlossen.
Ideologiespender für Marine Le Pen
Der 33 jährige Philippot hielt es bisher so wie eine Reihe weiterer, jüngerer homosexueller Politiker im FN. Er bekannte sich in der Öffentlichkeit nicht zu seiner Homosexualität, machte daraus aber in seiner Umgebung auch kein streng gehütetes Geheimnis. Für Marine Le Pen wurde er wertvoll, weil er bisher der einzige Absolvent der Kaderschmiede für Frankreichs Spitzenbeamte, der „Ecole Nationale d’Administration“ (ENA), ist, der sich dem FN anschloss. Beim ENA-Abschluss kommt es auch auf die Reihung an, und Philippot der in seiner Studienzeit nicht sonderlich glänzte, schnitt in seinem Jahrgang eher schlecht gereiht ab. Mit so einem ENA-Abschluss hätte er vermutlich in keiner anderen Partei als dem FN, eine derartig steile Karriere so schnell hinlegen können.
Politisch kam Philippot aus einer linksnationalen Strömung. Mit Zustimmung von Marine Le Pen, trimmte er das FN auf Wirtschaftsprotektionismus, Staatsgläubigkeit, Anti-EU- und Anti-Euro-Kurs und soziale Forderungen, die sich stellenweise kaum vom Programm linker Gewerkschafter unterscheiden (etwa dem Beibehalt des Rentenantritts ab 60 Jahren). Als politisches Vorbild bezeichnet er Charles De Gaulles. Dieser legendäre Staatschef wurde vom FN-Gründer Jean-Marie Le Pen stets bekämpft. Der vorgebliche Gaullismus und die sozialnationale Schlagseite von Philippot sind einem beträchtlichen Teil der historischen Kader des FN ein Dorn im Auge. Für Marine Le Pen, die ihrer Partei ein neues, akzeptableres Image verleihen und vor allem ehemalige Linkswähler in darbenden Industrierevieren anziehen möchte, kamen Philippots ideologische Positionen wie gerufen.
SP-Sprecher solidarisch mit Philippot
Auf die jetzige Zurschaustellung der Homosexualität von Philippot durch Closer haben Politiker aller Lager Frankreichs negativ reagiert. Ein Sprecher der Sozialisten, Olivier Faure, erklärte sich mit Philippot diesbezüglich solidarisch: „Wenn eine Reportage enthüllt hätte, dass Philippot eine illegal eingewanderte Haushälterin beschäftigt, hätte das angesichts der Haltung der FN gegenüber Migranten Sinn gemacht. Aber hier liegt ein Angriff auf das Privatleben vor und der Verdacht auf Homosexuellen-Feindschaftommh.“
Eine Vereinigung homosexueller Journalisten verteidigt aber die Enthüllung von Closer: „Philippot ist in einer Partei leitend tätig, die Gleichheitsprinzipien bekämpft“. Und die Chefredakteurin von „Closer“ pocht auf dem Recht, „Politiker auch anders darzustellen, als sie es selber, unter Einschaltung ihrer Imageberater, wünschen“.
Vor einem Jahr hatte Closer die Beziehung zwischen Staatschef Francois Hollande und der Schauspielerin Julie Gayet enthüllt. Daraufhin war es zur Trennung zwischen Hollande und seiner Lebensgefährtin Valerie Trierweiler gekommen. Trierweiler hatte bis dahin als Première Dame im Elysée-Palast gewirkt. Hollande laboriert noch immer an dieser Affäre, nicht zuletzt weil Trierweiler den sozialistischen Präsidenten in einem Buch, das zum internationalen Bestseller wurde, als Heuchler beschrieb und ihm vorwarf, er würde sich im privaten Kreis über seine Wähler verächtlich äußern.