Mursi plant Annäherung an den Iran
Ägyptens neugewählter Präsident Mohammed Mursi strebt offenbar an, die Beziehungen zur Islamischen Republik Iran zu intensivieren. Der Politiker der Muslimbrüder sagte in einem am Montag veröffentlichten Interview der staatlichen iranischen Nachrichtenagentur Fars, er wolle die Beziehungen zur Islamischen Republik ausweiten, um ein strategisches Gleichgewicht in der Region zu schaffen. "Dies ist Teil meines Programmes", zitierte Fars den Politiker. Nach Angaben der Agentur fand das Interview am Sonntag wenige Stunden vor Bekanntgabe des Ergebnisses der Präsidentenwahl statt.
Der Islamist Mursi setzte sich bei der Stichwahl mit knappem Vorsprung gegen den früheren Luftwaffenchef Ahmed Shafik durch. Damit behaupteten die religiös konservativen Muslimbrüder ihre führende Position auch in der Präsidentenwahl. Nach Angaben der staatlichen Wahlkommission vom Sonntag vereinigte der Kritiker des früheren Mubarak-Systems rund 52 Prozent der Stimmen auf sich. Das neue Staatsoberhaupt soll am kommenden Sonntag sein Amt in dem bevölkerungsreichsten arabischen Land antreten.
Gleichzeitig war Mursi jedoch um versöhnliche Töne bemüht. "Die Freiheit hatte eine hohen Preis", betonte das neugewählte Staatsoberhaupt. "Ich verspreche, dass ich alles tun werde, dass das Blut der Märtyrer nicht vergeblich vergossen wurde."
Feiern auf Tahrir-Platz
Für die Tausenden und Abertausenden, die seit Tagen wieder auf dem Tahrir-Platz ausharren und zu noch mehren am Sonntag auf den Platz strömten, war es denn auch bei aller Feierstimmung der Anhänger der Muslimbrüder so oder so irgendwie ein Tag der Enttäuschung. Denn, so sagt eine junge Aktivistin: „Das Militär hat alles in der Hand. Es gibt keine Verfassung, die Macht des Präsidenten wurde stark beschnitten, das gewählte Parlament wurde von den Militärs aufgelöst. Der Übergang zur Demokratie bleibt nach wie vor nur ein Versprechen."
Eines, dem bisher keine Taten gefolgt sind. Das Militär hat sich federführende Kompetenzen bei der Verfassungsgebung gegeben. Und es hat das eben erst gewählte, von den Muslimbrüdern dominierte Parlament aufgelöst. Bei der Revolution vor einem Jahr waren die Muslimbrüder eher ein Zaungast gewesen, die die offene Konfrontation mit dem Regime gescheut hatten.
Seit Tagen aber hatten die Muslimbrüder auf dem Tahrir-Platz, dem Symbol der Revolte, den Sieg Mursis gefeiert. Ein Kandidat, mit dem sowohl der Militärrat als auch säkular gesinnte Aktivisten der Revolution ihre Probleme haben. Er hatte aber unterstützt von Tausenden auf der Straße den Sieg für sich beansprucht. Und Vertreter der Muslimbruderschaft hatten mit einem Aufstand gedroht, sollte Mursi nicht zum Sieger erklärt werden. Eine ungewöhlich offene Drohung der Muslimbrüder, die sich mit derart offenen Kampfansagen bisher immer zurückhielten.
"Festung" Kairo
Noch am Samstag waren dagegen in einem Vorort von Kairo die Anhänger des zweiten Kandidaten der Stichwahl vor einer Woche aufmarschiert: die von Ahmed Schafik, der laut Wahlkommission 48 Prozent der Stimmen erhielt. Auch er hatte sich zum Sieger erklärt. Der Militärrat favorisierte ganz klar den früheren Luftwaffenchef und letzten Premierminister unter Hosni Mubarak. Für die Muslimbrüder wie für säkular gesinnte Unterstützer der Revolution stellte aber schon alleine seine Kandidatur eine Provokation dar.
Unter diesen Vorzeichen vertrauten denn auch die Militärs mitnichten in das von den Ägyptern eingeforderte Vertrauen in sie selbst. Am Sonntag glich Kairo einer Festung. Jetzt aber sind die Militärs am Zug, ihren Versprechen Leben einzuhauchen.
Gratulationen
Nach dem Wahlsieg hat der regierende Militärrat dem Islamisten in einer ersten Geste gratuliert. Auch die USA gratulierten Mursi zu seinem Wahlerfolg. Die neue ägyptische Regierung müsse ihre Rolle als "Eckpfeiler des regionalen Friedens" erfüllen, hieß es in einer Erklärung des Weißen Hauses. Eine wichtige Aufgabe Mursis sei es, "in dieser historischen Zeit Schritte zu unternehmen, um die nationale Einheit voranzubringen" und in einem nationalen Dialog eine neue Regierung zu bilden.
Zu den weiteren Gratulanten gehörte die deutsche Bundeskanzerlin Angela Merkel und die Europäische Union. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton begrüße den friedlichen Verlauf der Präsidentenwahl, sagte deren Sprecherin am Sonntagabend in Brüssel.
"Dies ist ein wichtiger Meilenstein in Ägyptens demokratischem Übergang und ein historischer Augenblick für das Land und die Region", sagte die Sprecherin. Ashton sei überzeugt, dass die Regierung Mursis "die Unterschiedlichkeit Ägyptens widerspiegeln wird". Ashton ermutige Mursi, der als Vertreter der Muslimbruderschaft gewählt wurde, "sich allen anderen politischen und gesellschaftlichen Gruppen zu öffnen".
Die Europäische Union will mit dem neu gewählten Präsidenten zusammenarbeiten und hat dem Land "volle Unterstützung" beim Übergang zur Demokratie zugesichert.
Die EU-Außenminister begrüßten insbesondere Mursis Ankündigung, dass er eine Regierung der Einheit für alle Ägypter bilden und allen politischen und sozialen Gruppen entgegenkommen wolle. Es sei notwendig, dass die Macht vollständig und rasch an die zivilen Stellen übertragen werde. Die EU-Außenminister zeigten sich allerdings "ernsthaft besorgt" über die Auflösung des ägyptischen Parlaments.
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