München: Täter dürfte Rechtsextremist gewesen sein
Der Todesschütze von München war laut einem Bericht der F.A.Z. ein Rassist mit rechtsextremistischem Weltbild. Die Zeitung beruft sich dabei auf Informationen aus Sicherheitskreisen. David Ali S., der aus einer iranischen Familie stammt, sei stolz darauf gewesen, als Iraner und als Deutscher "Arier" zu sein, Türken und Araber habe er hingegen gehasst. Die NS-Rassenideologie erklärte "Arier" zu einer überlegenen Menschengruppe. Ursprünglich bezeichnete der Begriff Angehörige eines der frühgeschichtlichen Völker mit indogermanischer Sprache in Indien und im Iran.
Der 18-jährige Schüler habe es als "Auszeichnung" verstanden, dass er denselben Geburtstag wie Adolf Hitler hatte, den 20. April. Aussagen über seine Begeisterung für Hitler sollen aus dem engsten Umfeld von S. stammen, berichtet die F.A.Z. In Münchens rechtsextremistische Szene soll er aber demnach nicht eingebunden gewesen sein.
Trotz seiner iranischen Wurzeln sah sich der Attentäter nicht als Ausländer. "Ich bin Deutscher" ist von ihm auf einem während der Tat entstandenen Video zu hören, das die Polizei als authentisch einstuft. Laut Medienberichten habe sich an seiner Schule von Türken und Arabern gemobbt gefühlt.
Gezielt Ausländer getötet?
Gegenstand der Ermittlungen ist daher auch, ob S. bei dem Anschlag von München gezielt auf Menschen mit ausländischer Herkunft geschossen hat. Alle neun Opfer weisen einen Migrationshintergrund auf. Drei jugendliche Opfer waren türkischstämmig, außerdem wurde eine 45 Jahre alte türkische Frau getötet. Drei andere Jugendliche waren Kosovo-Albaner.
Die Hypothese, dass S. aus rassistischen Motiven heraus getötet haben könnte, wird laut dem Bericht der F.A.Z. auch dadurch gestützt, dass der Täter mehr Menschen erschießen hätte können, weil er 300 Schuss Munition bei sich führte. Demnach hätte S. sich seine Opfer im Olympia Einkaufszentrum bewusst ausgesucht.
Die Tat wurde bisher als Amoklauf ohne klaren politischen Hintergrund beschrieben, Eine psychische Erkrankung und die Mobbing-Erfahrungen sollen ihren Beitrag geleistet haben. In der Wohnung des jungen Mannes wurde Material gefunden, das Verbindungen zum Amoklauf von Winnenden 2009 und zum Massenmord des Norwegers Anders Behring Breivik vermuten ließ. Die Todesschüsse von München fielen genau am fünften Jahrestag von Breiviks verheerenden Anschlag in Oslo und auf der Insel Utøya.
Rechtspopulisten nutzten Anschläge für Kritik
Ausgerechnet die in Deutschland rechtsgerichtete AfD war eine der Ersten, welche das Münchner Attentat verurteilte. Weder die Identität des Schützen, noch sein mögliches Tatmotiv waren am Tag des Amoklaufes bekannt, als sich der AfD-Chef von Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, zu Wort meldete. "Merkel-Einheitspartei: Danke für den Terror in Deutschland und Europa."
Nach den Anschlägen in Deutschland nutzen führende Akteure rechtspopulistischer und nationalkonservativer Parteien die Gewalttaten für Kritik an der deutschen Flüchtlingspolitik. "Ich befürchte, dass Deutschland in einer desaströsen Situation ist und niemals wieder sein wird wie zuvor“, sagte Brexit-Befürworter Nigel Farage.
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sprach von "Masseneinwanderung" und "gefährlicher Willkommenskultur": "Schluss mit der gemeingefährlichen Beschwichtigungspolitik", schreibt er auf Facebook. Nur ein radikaler Kurswechsel könne Europa wieder sicherer machen: "Der Terror in Europa zeigt, dass wir eine andere Ausländerpolitik brauchen."
Strache hatte nach dem Amoklauf von München auf Facebook von einer "Augenzeugin" berichtet, die den Attentäter "Allahu Akbar" rufen gehört haben soll. Heute weiß man, dass Ali David S. kein Islamist, sondern Rechtsextremer war.
Noch arbeiten die Ermittler, noch ist vieles zu den Tätern und Hintergründen unbekannt. Doch allmählich schälen sich einige Gemeinsamkeiten heraus - und viele Unterschiede.
In einem Atemzug werden Würzburg, München, Reutlingen und Ansbach genannt, seit dort binnen einer Woche vier Gewalttaten die Öffentlichkeit schockierten. Täter und Taten scheinen einiges gemeinsam zu haben. Doch noch größer sind die Unterschiede.
ORTE UND OPFER: Eine Regionalbahn (Würzburg), ein Einkaufszentrum und ein Schnellrestaurant (München), eine belebte Straße (Reutlingen) sind öffentlich zugängliche Orte - und doch in ihrer Art sehr unterschiedlich. Der Selbstmordattentäter von Ansbach verletzte mit seiner Bombe 15 Menschen am Rande eines Musikfestivals, an dessen Eingang er abgewiesen wurde. Der Axt-Angreifer im Zug scheint seine schwer verletzten Opfer zufällig getroffen zu haben. Der Täter von München erschoss neun überwiegend jugendliche Menschen, von denen sieben Muslime waren. In Reutlingen starb eine Frau, die der Täter gut kannte; die, die er verletzte, traf er auf seiner Flucht.
ALTER UND GESCHLECHT: Alle vier Taten werden jungen Männern zugeschrieben. In Würzburg schlug nach Behördenangaben der Jüngste zu - ein 17-Jähriger. In München war es demnach ein 18-Jähriger, in Reutlingen ein 21-Jähriger. Der Mann mit der Bombe von Ansbach war schon 27 und verlor seine Frau und seinen sechs Monate alten Sohn, wie die "Bild"-Zeitung aus einem Gutachten zitierte, dessen Existenz das deutsche Bundesamt für Flüchtlinge bestätigte.
HERKUNFT UND STATUS: Drei Männer kamen als Flüchtlinge nach Deutschland, zwei aus Syrien, der in Würzburg getötete Angreifer nach ersten Angaben aus Afghanistan. Der Mann in Reutlingen war anerkannter Flüchtling, der in Ansbach sollte nach Bulgarien zurückkehren. Für die mit neun Toten und 35 Verletzten folgenschwerste Tat wird ein Deutscher mit iranischen Wurzeln verantwortlich gemacht - er hob seine Nationalität in einem Video, das die Polizei für authentisch hält, besonders hervor: "Ich bin Deutscher, ich bin hier geboren worden."
PLAN ODER SPONTAN: Der Münchner Schüler hat seine Tat lange vorbereitet, informierte sich nach Erkenntnissen der Ermittler zuvor über den norwegischen Massenmörder Anders Breivik sowie den Amoklauf in Winnenden und besorgte sich eine Waffe im sogenannten Darknet. Die Täter von Würzburg und Ansbach hatten ihre Angriffe offensichtlich ebenfalls geplant, aber weniger intensiv. Der Angreifer in Reutlingen griff nach Einschätzung der Ermittler hingegen spontan im Streit zur tödlichen Waffe, einem Dönermesser.
VORGESCHICHTE UND VERDACHT: Die Angreifer von München und Ansbach wurden wegen psychischer Probleme behandelt. Der 18-Jährige war der Polizei als Mobbing- und Diebstahlsopfer bekannt und soll häufig Ego-Shooter-Spiele gespielt haben. Nun wurde auch über einen rechtsextrimistischen Hintergrund berichtet (siehe oben). Über den Festgenommenen in Reutlingen erklärte die Polizei es nach der Tat, sie gehe Hinweisen auf psychische Probleme nach. Er sei schon wegen Körperverletzungen aufgefallen. Von dem 17-Jährigen in Würzburg heißt es, er galt als nett, höflich und etwas unsicher, habe ein Praktikum bei einem Bäcker gemacht und sich wohl unbemerkt radikalisiert.
TERROR ODER AMOK: Die Taten von Würzburg und Ansbach hat die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) für sich reklamiert. Der Würzburger Täter kündigte seine Attacke in einem Video an, das später das IS-Sprachrohr Amaq später veröffentlichte. Zu Ansbach brachte Amaq ein Bekennervideo heraus, dessen Authentizität zunächst unklar blieb. Für die Taten von München und Reutlingen schließt die Polizei einen terroristischen Hintergrund aus.
WAFFEN UND BESCHAFFUNG: Die Reutlinger Tatwaffe fand sich am Arbeitsplatz des Angreifers, einem Imbiss. Die Würzburger Tat geschah mit einer handelsüblichen Axt und einem Messer. Der Attentäter von Ansbach sprengte sich mit einer wohl selbstgebauten Bombe in die Luft, die mit scharfkantigen Metallteilen in seinem Rucksack steckte. Der 18-jährige Münchner nutzte wie Breivik eine halbautomatische Glock-Pistole, die er sich illegal beschafft hatte.
FESTNAHME ODER TOD: Der Angreifer von München erschoss sich am Ende selbst, der von Ansbach tötete sich mit der Zündung seiner Rucksackbombe. In Würzburg erschoss die Polizei den 17-Jährigen. Der 21-Jährige in Reutlingen lief vor ein Auto, fiel hin und wurde von der Polizei festgenommen - nur dieser Angreifer überlebte die Tat.