Moskau lockt Kiew mit Geld und Stabilität
Von Elke Windisch
Ein Beitritt Kiews zu der von Moskau dominierten Eurasischen Union und deren Freihandelszone – der Zollunion – stehe nicht auf der Agenda der russisch-ukrainischen Regierungskommission, die am Dienstag in Moskau tagt. Das ließ Putins Pressesprecher schon im Vorfeld wissen. Doch am Rande der Tagung trifft der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin. Es ist bereits die vierte Begegnung beider Politiker innerhalb der letzten sechs Wochen, und der Kremlherrscher hält die ukrainische Festung inzwischen offenbar für sturmreif.
„Die Situation in der Ukraine“, so der Berater in einem Interview für die Nachrichtenagentur RIA nowosti, „ist derzeit so, dass diese ohne Darlehen in dieser oder jener Form wirtschaftliche Stabilität nicht aufrechterhalten kann.“ Er schließe daher nicht aus, dass ein solcher Kredit genehmigt wird, sollte die Ukraine darum ansuchen.
In Kiew rannte er damit anscheinend offene Türen ein. Bei der Tagung der gemeinsamen Regierungskommission, so der Erste Vizepremier der Ukraine, Sergei Arbusow, würden Dokumente unterzeichnet, die „der wirtschaftlichen Sicherheit der Ukraine“ dienen. Für engere Zusammenarbeit mit Russland hatten am Wochenende in Kiew auch Tausende Anhänger von Janukowitsch demonstriert, die aus den industriellen Ballungsgebieten im Osten angereist waren. Dort und im Süden stellen ethnische Russen die Bevölkerungsmehrheit. Fast zeitgleich rief Regierungschef Nikolai Asarow Brüssel wie Moskau zu mehr Respekt vor den Entscheidungen der Ukraine auf. Diese sei ein souveräner Staat.
Marionette Klitschko
In scharfer Form kritisierte auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses in der russischen Duma, Alexei Puschkow, die geballte Präsenz westlicher Politiker in Kiew, die Janukowitschs Gegnern den Rücken stärken. Europa habe sich zu einem harten Kurs gegen Janukowitsch entschieden, dieser sei nicht länger Verhandlungspartner, sondern politischer Gegner. Mit vorgezogenen Wahlen, sagte er RIA nowosti, solle eine „unbedeutende prowestliche Marionette“ an die Macht gehievt werden: der Boxer Witali Klitschko.
Puschkow verteidigte die Entscheidung der ukrainischen Regierung, die Assoziierung mit der EU auszusetzen. „Kein normaler Staat würde sich mit dem mageren Paket zufrieden geben, das die EU im Rahmen des jetzigen Abkommens angeboten hat. Das ist ein Versuch, die Ukraine für 660 Millionen Euro zu kolonisieren.“
Die zwei Optionen der Ukraine:
Abkommen mit der EU
Nach der Orangen Revolution 2004 forderte Kiew von der EU eine Perspektive. 2007 begannen Verhandlungen über eine Annäherung. Seit 2009 ist die Ukraine Teil der „Östlichen Partnerschaft“. Gespräche über Assoziierungs- und Freihandels- abkommen waren beendet, Kiew aber verweigerte die Unterschrift.
Eurasische Union
Die Idee stammt aus den 90er-Jahren und wurde 2011 umgesetzt. Die Union besteht gegenwärtig aus Russland, Weißrussland und Kasachstan. Weitere Länder sollen folgen. Moskau möchte die Ukraine, ein wichtiges Gas-Transitland, unbedingt für Union gewinnen und von der EU „fernhalten“.
Mehr als ein Satz ( „Guten Morgen, ich bin Sergej Lawrow“) war dem russischen Außenminister nicht zu entlocken, ehe er im Brüsseler Ratsgebäude zum Treffen mit den EU-Außenministern ging. Die hatten ihrem Gast dafür einiges zu sagen.
So warf der schwedische Außenminister Carl Bildt Moskau vor, mit wirtschaftlichem und politischem Druck auf die Ukraine die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU verhindert zu haben: „Das hat Auswirkungen auf unsere Beziehungen, denn wir haben erlebt, dass Russland eine ziemliche Propagandakampagne gegen das Abkommen begonnen hat.“ Dabei habe man auch vor „blanken Lügen“ nicht zurückgeschreckt, so Bildt. Er warf auch dem ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch vor, „mit gespaltener Zunge“ zu sprechen: „Er sagt an einem Tag dies und an einem anderen das.“ Auch Luxemburgs Vertreter Jean Asselborn meinte: „Mit Janukowitsch muss ein hartes Wort geredet werden.“
Gespräche fortsetzen
Deutschlands scheidender Außenminister Guido Westerwelle betonte nach der Aussprache mit Lawrow, wie wichtig es sei, die Gespräche mit Russland weiterzuführen: „Gerade in Zeiten von Meinungsunterschieden muss man miteinander mehr sprechen, nicht weniger.“ Westerwelle stellte aber auch klar, es wäre „nicht angemessen“, wenn die EU Moskau in Sachen Ukraine um Zustimmung bitten würde. Es gehe hier um „Entscheidungen, die Kiew zu treffen hat – und nicht Moskau“.
Die EU seien weiter bereit, das Abkommen mit der Ukraine zu unterzeichnen: „Mit dem Abkommen gibt es eine Tür und diese steht weiter offen“, sagte Westerwelle. „Wir wollen, dass sich die Ukraine in Richtung Europa orientiert und wir haben ein sehr gutes Angebot gemacht, dass die wirtschaftliche Entwicklung voranbringen kann.“ Das Angebot gilt also – was man andererseits auch so verstehen kann, dass nicht nachgebessert wird.
EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton zeigte sich aber optimistisch, man auf Basis des vorliegenden Abkommens zusammen finden könne: Die von Janukowitsch genannten wirtschaftlichen Gründe für die Nicht-Unterzeichnung ließen sich ausräumen.