Politik/Ausland

Ukraine: Das Ende der Waffenruhe?

In das Dorf Schirokine war die Nachricht von der Minsker Vereinbarung nie ganz durchgesickert. Wenn auch mit leichteren Waffen – geschossen wurde immer. Und zuletzt heftiger: Am 29. März registrierten Beobachter der OSZE binnen 25 Minuten Explosionen von "mehr als 30 Mörsergranaten". Am Tag davor zählte die OSZE binnen dreieinhalb Stunden mehr als 250 Einschläge. Das Dorf liegt 20 km östlich der Großstadt Mariupol.

Am Dienstag gab der Kommandant einer in der Region stationierten Einheit der ukrainischen Nationalgarde bekannt, Schirokine sei von Separatisten eingenommen worden. Laut ukrainischen Quellen schlugen später Granaten in einem östlichen Vorort von Mariupol ein. Auch in Lugansk gab es zuletzt kleine Offensiven. Der Waffenstillstand, der nie einer war – drei Tage nach Vereinbarung begann der Großangriff auf Debalzewe – steht erneut auf der Kippe.

Laut den Tagesberichten der OSZE gab es seit der Unterzeichnung am 12. Februar keinen Tag, an dem die Waffen schwiegen. Zuletzt findet sich in den betont trocken gehaltenen Depeschen vor allem täglich ein Satz: Wegen Sicherheitsrisiken brauche man "Sicherheitsgarantien der DNR (Volksrepublik Donezk, Anm.) und der LNR (Volksrepublik Lugansk, Anm.), welche nicht immer gegeben werden". Es folgt ein Standardsatz über die Einschränkung der Bewegungsfreiheit .

OSZE gestoppt

Zuletzt waren Patrouillen der OSZE vor allem in und um Schirokine vermehrt gestoppt, zum Umkehren gezwungen oder mit Waffengewalt bedroht worden. Ähnliches geschah in Lugansk.

Laut der Minsk-Vereinbarung müssen beide Konfliktparteien bereits schwere Waffen ins Hinterland verlegt haben. Peinlich, wenn Beobachter dann in Frontnähe an Kampfpanzern vorbeifahren. Seit einigen Wochen verlangen die pro-russischen Milizen, dass die OSZE ihre Fahrrouten vorab ankündigt.

Weiter Nachschub

Seitens der NATO und seitens der US-Armee ist man überzeugt, dass die Separatisten die Feuerpause nur nutzen, um sich neu zu formieren. Weiterhin rolle ungehindert Nachschub an schwerem Gerät aus Russland über die Grenze, so unlängst Philip Breedlove, Kommandant der NATO- und US-Streitkräfte in Europa. Und die Separatisten selbst hatten wiederholt erklärt, Mariupol im Visier zu haben. Der Grund: zwei Stahlwerke, eine riesige Maschinenbaufabrik, der Tiefseehafen. Kiew würde der Verlust Mariupols hart treffen. Für eine Offensive auf die Großstadt (450.000 Einwohner) aber bräuchte es geschätzte 30.000 Mann. Das ist für DNR und LNR nicht zu stemmen – es bräuchte Hilfe aus Russland.

Moskau weist jede Verstrickung in den Krieg ja zurück. Dieser Darstellung hat jetzt aber der Ex-Elitesoldat Dmitri Saposchnikow des russischen Innenministeriums gegenüber der BBC widersprochen. Er schildert den Krieg in der Ukraine so: "Alle Operationen, besonders große, werden von russischen Offizieren geführt, von russischen Generälen." Er war beim Vorstoß auf die letzte Verbindungsstraße aus dem Kessel um Debalzewe verwundet worden. Die Straße hätten die Separatisten nicht halten können. "Aber die russischen Panzer kamen – es war eine Panzereinheit aus Burjatien (Sibirien, Anm.). Dank ihrer Waffen und ihrer Hilfe konnten wir Debalzewe einnehmen."