Politik/Ausland

Polen: Kampf um Kaczyńskis Nachfolge hat begonnen

Es ist still geworden um Jarosław Kaczyński. Als er am 18. Juni 69 Jahre alt wurde und mit einer Krücke das Spital verließ, in dem er wegen Schmerzen im rechten Knie behandelt wurde, verbreiteten sich die Bilder wie ein Lauffeuer im Internet. Zuvor wurde Kaczyński nämlich wochenlang nicht gesichtet.

In nationalen und internationalen Medien wurde über den gesundheitlichem Zustand des Vorsitzenden der nationalkonservativen Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit) und seine mögliche Nachfolge spekuliert. Einige Medien schrieben, dass er todkrank sei. Spitalspersonal teilte inoffiziell mit, dass er einige Tage lang ohnmächtig gewesen sei. Diese Berichte sind jedoch nicht bestätigt. 

Nun scheint es, als würde der Politiker bald abdanken. Die Boulevardzeitung Fakt vermeldet, dass Kaczyński"Er wird die Partei abgeben und Ehrenvorsitzender werden", zitiert das Blatt einen anonymen Politiker.

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Die Aussage brachte die Gerüchteküche zum Brodeln. Als Favoriten für die Nachfolge gilt Premierminister Mateusz Morawiecki. Der 50-Jährige ist bemüht, Polens Image in der Europäischen Union aufzupolieren, macht aber immer wieder mit kontroversen Aussagen Schlagzeilen. Sein Konkurrent dürfte Innenminister Joachim  werden. Kaczyńskisoll einst verlautbart haben, dass der ehemalige Hochschullehrer ihn ersetzen soll, wenn ihm etwas zustoßen sollte. 

Es brodelt in der Gerüchteküche

Legendär soll BrudzińskisArbeiter im Weinstock des Herrn" sieht und keinerlei Bestrebungen für wichtige Posten habe. Entgegen der Aussage dieses biblischen Gleichnisses dürfte Brudziński insgeheim auf mehr hoffen. Er erweiterte seinen Einfluss in der Partei und festigte ihn, indem er Kandidaten für die landesweiten Bürgermeisterschaftswahlen in zahlreichen Städten positionierte. "In ein paar Jahren werden seine jungen Leute die Plätze der älteren Funktionäre einnehmen, selbst wenn sie bei den Wahlen keine Erfolge verbuchen werden", zitiert Fakt einen ebenfalls anonym bleiben wollenden Politiker der PiS

In der Gunst der Parteiwähler ganz oben steht jedoch Premier Morawiecki. In einer Umfrage des Pollster Instituts für den Super Express sprachen sich 46 Prozent der Befragten für ihn als Nachfolger aus. 20 Prozent sähen seine Vorgängerin Beata Szyd gerne an der Parteispitze, nur drei Prozent wünschen sich Brudziński im Chefsessel. 

Im dritten Programm des Polnischen Radios PR3 befeuerte Morawieckis Vater Kornel, ein ehemaliger antikommunistischer Dissident und aktueller Sejm-Abgeordneter, die Spekulationen und machte Werbung für seinen Sprössling, der heute seinen Geburtstag feiert: "Im aktuellen Regierungslager sehe ich keine Persönlichkeiten. Mateusz ist eine außergewöhnliche Erscheinung und ein Leader. Er hat Erfahrung und die Fähigkeit, zu einigen." Zum Geburtstag wünschte er seinem Sohn die Freundschaft seiner Parteikollegen: "Konkurrenz muss sein, aber der Kampf darf nicht zerstörerisch sein." 

Erinnerungen an alte Zeiten

Über die aktuelle politische Situation im Land und die durch die PiS eingeleiteten Veränderungen, die eine Gefahr für die Gewaltentrennung sein könnten, schrieben vermehrt zahlreiche internationale Medien, wie die New York Times. Spöttisch analysierte Andrew Rettman im EU-Observer den Kampf um den Thron: "Kaczyński2.0 ist Brudziński. Er ist ein im Anzug verkleideter Hooligan von der Straße. Er flucht und erinnert sich gerne an gute alte Zeiten, in denen er billigen Wodka trank."

Martin Ehl von der tschechischen Zeitung Hospodářské noviny sieht in den Spekulationen im Nachbarland um die Nachfolge etwas Skurriles: "Die Krankheit Kaczyńskis paralysiert nicht nur die Partei, sondern in gewissem Grad auch die Funktionalität des Staates. Solch einen Zustand konnten wir zuletzt zu Beginn der 1980er Jahren beobachten, als die sowjetischen Führer nach und nach verstarben. Es geht nicht darum, Kaczynski etwas Schlechtes zu wünschen. Man kann nur nicht ignorieren, dass er das Regierungssystem, das er im Rahmen seiner Partei schuf, auf die Funktionalität des ganzen Landes übertragen will. Die Zentralisierung erinnert sehr an den Kommunismus." 

Umdenken in der Partei 

Maciej Deja vom Online-Portal Wirtualna Polska sieht im Gespräch mit kurier.at ein Umdenken in der Partei: "In KaczyFunktionären ist bewusst geworden, dass er nicht ewig regieren wird. Es gab ein enormes Problem bei Entscheidungsfindungen." Nicht ausschließen will Deja, dass es sich bei seinem Schweigen um einen Test handelte: "Er ist schlau und wollte sich vielleicht anschauen, was hinter seinem Rücken passiert."