Politik/Ausland

Spitzen-Diplomat für alle Krisenfälle

Er ist keiner dieser aalglatten Diplomaten-Typen im dunklen, eleganten Anzug.

Oh ja, er ist es schon, der österreichische Spitzendiplomat Martin Sajdik, wenn er im UNO-Hauptquartier am East River eine internationale Konferenz leitet oder beinhart eine Interessensausgleich verhandelt.

Sajdik, 1949 in Wien geboren, kennt nicht nur das Leben als harter Verhandler, und das gleich in mehreren Sprachen. Er kennt auch die andere Seite der Gesellschaft: Als Botschafter in China pflegte er regelmäßig Kontakte zu Menschenrechtsaktivisten oder zu Künstlern, die es schwer hatten, das Land zu verlassen. Als Privatmensch spielt er in der Freizeit nichts lieber als Fußball, wenn er eine Zeitung aufschlägt, liest er als Erstes den Sportteil.

In Brüssel schätzen viele seine klare Sprache. "Bei einem Bier kann er komplizierte Dinge so erklären, dass es jeder versteht", erinnern sich Journalisten.

Leiden lindern

Jetzt steht Sajdik vor einer neuen Herausforderung: als Sonderbotschafter der Organisation für Zusammenarbeit und Sicherheit in Europa (OSZE) muss er im Ukraine-Konflikt vermitteln. 40 Jahre Berufserfahrung und Professionalität, aber auch die sozialen und kommunikativen Fähigkeiten kann er gut brauchen, wenn er künftig in der Ukraine zwischen den Fronten steht: "Es geht darum, kleine Fortschritte zu erzielen, um die Lebensumstände der unter den Auseinandersetzungen leidenden Menschen zu verbessern."

Noch reist Sajdik zwischen Kiew und New York hin und her, der KURIER erreichte ihn am Airport "In den letzten sechs Wochen hat es mich ordentlich herumgerissen." Der Job in Kiew plus UNO-Botschafter in New York sowie Vorsitzender des UNO-Wirtschafts- und Sozialrats (ECOSOC). Doch: "Letztere Aufgaben laufen in den nächsten Tagen aus."

Mann mit Eigenschaften

Dynamik, rasche Entscheidungen, brisante Aufgaben und ein Schuss Abenteuerlust gehören zu seiner Art.

Geradlinig verlief seine Karriere nicht: Matura am Theresianum, nach dem Jus-Studium folgte ein Gerichtsjahr, danach ein Job in der Exportwirtschaft, erst 1978 trat er in den diplomatischen Dienst ein. Für Manager-Aufgaben unterbrach er 1987 das Beamtendasein. Zuerst als Moskauer Repräsentant der Creditanstalt-Bankverein, dann als Geschäftsführer des Maculan-Konzerns. 1994 kehrte er wieder ins Außenamt zurück, wo er die Abteilung EU-Erweiterung, Außenwirtschaft, Zentral-, Ost- und Südosteuropa leitete, später als Sektionschef. 2007 wurde er Botschafter in China, 2012 Botschafter bei der UNO.

Wie im Beruf verlief auch das private Leben nicht ganz linear: Zwei Ehen, vier Kinder. Die Tochter aus erster Ehe, Valérie Sajdik, ist eine international bekannte Sängerin, ihr Musikstil verbindet Elemente aus Pop, Chanson und Jazz.

Seine jüngste Tochter, bald 13, kam mit ihrer Mutter, Sajdiks zweiter Frau, gerade vom Big Apple nach Wien. Sie wird hier in die Schule gehen. "Meine Gattin bleibt bei ihr und kommt nicht nach Kiew, wo ich schon eine Unterkunft gefunden habe. Wie oft wir einander sehen werden, hängt mehr von den Konfliktparteien als von uns ab."

KURIER: Herr Botschafter, viele glauben, Russland sei schuld am Ukraine-Konflikt. Kann man von Schuldigen sprechen?

Martin Sajdik: Man holte mich nicht als Richter, der über Schuld urteilt, sondern als Verhandler, der Ergebnisse bei der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen erreichen soll. Andererseits, die Fakten sind eigentlich allgemein bekannt.Ist eine autonome Region Ostukraine vorstellbar?

Ja, sehr wohl. Nur: Bei den Details hakt es gewaltig. Da trennen Ukraine und Russland noch Welten, mit den Separatisten gibt es zusätzliche Spieler. Daran wird laufend gearbeitet.

Was haben Ihre ersten Kontakte in Kiew ergeben?

Riesiges Interesse an unserer Rolle und unseren Bemühungen, vonseiten der Politik, Diplomatie, Medien und Öffentlichkeit, bei Weitem nicht nur in Kiew.

Wie viele Mitarbeiter haben Sie?

Wir sind mit fünf bis sechs Leuten ein sehr kleines Team, zuständig für die Verhandlungen im Rahmen der Trilateralen Kontaktgruppe (Ukraine, Russland, OSZE).

Ist Ihr Einsatz befristet?

Der derzeitige OSZE-Vorsitzende, Serbiens Außenminister Ivica Dačić, ernannte mich zu seinem Sondervertreter in der Ukraine und in der Trilateralen Kontaktgruppe. Diese hat die Minsker Vereinbarungen umzusetzen, die als Frist für deren Erfüllung Dezember 2015 vorsehen. Sollte das nicht möglich sein, kann die Frist verlängert werden.

Sie sind ein kompetenter Verhandler, der schnell Vertrauen herstellen kann und den Dialog auf Augenhöhe schätzt. Worauf kommt es in der Ukraine an?

Wohl auf all das, dazu noch Kenntnisse des Russischen, der Mentalität sowie des politischen, ökonomischen und ideengeschichtlichen Umfelds der Akteure. Plus – fast 40 Jahre Berufserfahrung als Diplomat.

Die EU zahlt sehr viel für die Ukraine, die USA schicken Militärberater und rüsten das Heer auf. Gibt es eine Konkurrenz zwischen EU und den USA? Die EU und die USA einen, glaube ich, die gleichen Ziele in diesem Konflikt. EU-Kommissar Hahn ist äußerst bemüht und ist regelmäßig in Kiew. Ebenso Victoria Nuland, Vize-US-Außenministerin und zuständig für Europa und Eurasien, die mit der ihr eigenen Interpretation von Diplomatie stark in der Konfliktlösung engagiert ist und dabei durchaus zu ihren Resultaten kommt. Besonders hervorzuheben ist aber die Schlüsselrolle Frankreichs und Deutschlands, die ständig Druck auf Russland und die Ukraine ausüben. Das laufende Engagement der Außenminister Fabius und Steinmeier ist großartig, und Angela Merkel kennt persönlich jede Fußnote des Minsker Pakets, das sie selbst im Februar verhandelt hatte.