Politik/Ausland

Malmström empört über Grünen Reimon

Seit Monaten streiten EU-Abgeordnete mit der Kommission darüber, welche geheimen Dokumente aus den TTIP-Verhandlungen sie einsehen dürfen. Nun gibt es einen handfesten Krach: In einem Brief an Parlamentspräsident Martin Schulz und den Vorsitzenden des Handelsausschusses, Bernd Lange, klagt EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström, dass "von einem Abgeordneten unlängst der Inhalt eines geheimen TTIP-Dokumentes (...) veröffentlicht wurde".

In dem Schreiben, das dem KURIER vorliegt, nennt Malmström keinen Namen. Es ist aber offensichtlich, dass ihre Empörung dem österreichischen Grünen Michel Reimon gilt. Reimon hat – der KURIER berichtete – vor zwei Wochen publik gemacht, dass die EU-Kommission forderte, den amerikanischen Markt wieder für bestimmte Finanzprodukte zu öffnen.

Das Brisante: Erst seit Kurzem gestattet die Kommission allen Abgeordneten, einen Teil der TTIP-Dokumente unter strengen Auflagen in einem eigenen Leseraum einzusehen.

Malmström wirft Reimon nun vor, die Verschwiegenheit gebrochen zu haben – und droht mit Folgen: Mehr Transparenz sei nur machbar, "wenn wir und unsere Verhandlungspartner sicher sein können, dass die Vertraulichkeit respektiert wird". Schulz arbeitet offenbar an Sanktionen für Reimon. Der hält im Gespräch mit dem KURIER entgegen: "Der Vorwurf ist inhaltlich falsch." Er habe das Dokument bereits aus anderer Quelle gehabt, es zum Beweis schon vor dem ersten Besuch im Leseraum verschlüsselt online gestellt – und dort lediglich verifiziert, ob es authentisch sei.

"Malmströms Transparenzoffensive ist ein Fake", sagt Reimon. "Ihre Empörung zeigt, dass die Angebote der Kommission an die Amerikaner teilweise skandalös sind. Es hat einen Grund, warum sie nicht will, dass das öffentlich wird." Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass Dokumente, die der US-Seite seit einem Jahr vorliegen, "der eigenen Bevölkerung zugänglich gemacht werden".

"Die Aufregung Malmströms ist überzogen", sagt auch SPÖ-Delegationsleiter Jörg Leichtfried. "Die Dokumente, die wir einsehen können, sind jenseits jeglicher politischer oder inhaltlicher Brisanz." Er will weiter dafür kämpfen, dass auch US-Positionen und Verhandlungsergebnisse einsehbar seind. Leaks seien dabei "wenig hilfreich, weil sie der Kommission Argumente für mehr Geheimhaltung liefern".

Europa habe mit dem Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) die Chance, globale Standards für die Ökonomie zu definieren, hofft der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) auf einen raschen Abschluss der Gespräche. Sollte TTIP scheitern, werden die USA gemeinsam mit China die Regeln für die Weltwirtschaft vorgeben. „Dann spielt Europa keine Rolle mehr“, warnte Bouffier bei einer TTIP-Diskussion in der Raiffeisen Zentralbank.

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Keine Mehrheit für TTIP gibt es derzeit nur in Deutschland, Luxemburg, Österreich und Frankreich. Die Skepsis werde erst dann schwinden, wenn der Lebensmittelbereich und der Investorenschutz vom Abkommen ausgenommen werden, lautet die Prognose des grünen Nationalratsabgeordneten Wolfgang Pirklhuber. Im Lebensmittelbereich drohe der Abbau der hohen europäischen Standards und der Investitionsschutz mache es großen Konzernen möglich, die Entscheidungen demokratisch gewählter Regierungen zu bekämpfen.

Bouffier sieht das anders. Der Stromkonzern Vattenfall habe zwar die deutsche Regierung wegen des Atomausstiegs auf 4,7 Milliarden Euro verklagt. Es geht dabei um Schadenersatz für das Abschalten von Atomkraftwerken. „Vattenfall gehört dem schwedischen Staat“, verwies Bouffier auf die Besitzverhältnisse. „Die schwedische Regierung ist ebenso demokratisch gewählt wie die deutsche Regierung. Alle wollen ihr Geld zurück, das sie investiert haben.“

In den USA sind Politiker der republikanischen Partei gegen das TTIP-Abkommen. Bouffier: „Es geht dabei um Jobs für General Motors. Man will verhindern, dass die europäische Automobilindustrie verstärkt in die USA kommt.