Politik/Ausland

Macrons Tour zwischen Kriegsgedenken und EU-Wahlkampf

Es ist ein Mischmasch aus Geschichte und Gegenwart, aus innenpolitischer Besänftigung und weltpolitischem Auftrumpfen, aus EU-Wahlkampf und franko-deutscher Vermählung, die Emmanuel Macron diese Woche, aus Anlass der Beendigung des Ersten Weltkriegs vor genau 100 Jahren, bietet.

Nachdem der französische Staatspräsident am Sonntagabend an der Seite seines deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier dem „Konzert der Freundschaft“ im Straßburger Münster beiwohnte, wird Macron sechs Tage lang Kleinstädte und Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs in Ost- und Nordfrankreich besuchen. Am Samstag endet die Tournee im Beisein von Angela Merkel in Compiègne, nördlich von Paris (wo am 11. 11. 1918 der Waffenstillstand unterzeichnet wurde, und im Juni 1940 Frankreichs Regierung vor Hitlerdeutschland kapitulierte). Am Sonntag werden in Paris an die 60 Staats- und Regierungschefs erwartet, darunter US-Präsident Donald Trump und Russlands Staatschef Wladimir Putin. Einige der Staatsmänner, darunter Bundespräsident Alexander Van der Bellen, werden auch ein multilaterales „Friedensforum“ einleiten. Die Eröffnungsrede hält wiederum Angela Merkel.

Keine Militärparade

Dass sich konservative und rechte Oppositionspolitiker darüber ereiferten, dass am 11. November keine Militärparade stattfinde, kam Macron zupass. „Wir haben damals den Krieg gewonnen aber den Frieden verloren, weil der Sieg auf die Demütigung des deutschen Partners hinauslief“, entgegnete er. „Der Vertrag von Versailles hat die kommenden Frustrationen vorbereitet“. Man müsse „den Frieden zelebrieren, den die Gründerväter Europas (nach dem Zweiten Weltkrieg) ermöglicht haben, weil sie die Lehren aus Versailles gezogen hatten“.

Diese Feststellung mündet geradewegs in Macrons Leitmotiv für die EU-Wahlschlacht: die Abwehr der „nationalistischen Lepra“, die die EU „zerstückeln“ wolle. Diesbezüglich gäbe es „frappierende Ähnlichkeiten zur Zwischenkriegszeit“, hämmert Macron.

Gegner von Macron werfen ihm vor, er würde mit dieser Polarisierung seine eigenen Misserfolge zu überspielen versuchen, und dies würde erst recht Extremisten fördern. Laut Umfragen sind fast 70 Prozent der Franzosen mit Macrons Präsidentschaft unzufrieden, seine Bewegung könnte bei der EU-Wahl von der Partei der Nationalistin Marine Le Pen überholt werden.

Zornausbrüche

Die „ Gedenkroute“ führt auch in Gegenden, die „am meisten unter der „Deindustrialisierung und Globalisierung gelitten haben“, wie Macron betont. Er will mit Besuchen in florierenden Betrieben gegen den Pessimismus ankämpfen, er muss aber mit Zornausbrüchen rechnen. Frankreichs Öffentlichkeit steht zurzeit unter dem Eindruck einer sich anbahnenden Protestwelle gegen Preiserhöhungen bei Treib- und Heizstoff. Der Dieselpreis ist innerhalb eines Jahres um 20 Prozent gestiegen, Superbenzi um 14 Prozent. Die Regierung verweist darauf, dass nur 20 Prozent der Erhöhungen auf Steuern zurückgehen, und dass diese Abgaben für eine umweltfreundliche Umwandlung des Verkehrs nötig seien. Aber Millionen Pendler fürchten um ihr bereits knappes Einkommen. Per Internet wurden Verkehrsblockaden in Ostfrankreich organisiert, für Mitte November ist eine landesweite Blockade angesagt.

Verärgerte Pensionisten

Der Ärger nährt sich auch aus einer Erhöhung der Besteuerung der Pensionisten. Die Staatsführung begründet dies mit einer Umschichtung zugunsten der Förderung von neuen Jobs und des Einkommens der Arbeitnehmer. So ist die Abschaffung der Arbeitnehmerbeiträge für die Sozialversicherung im Gange. Aber diese Maßnahme wird erst jetzt greifen.

Ähnliches gilt für Neu-Einstellungen, deren Zahl deutlich gewachsen sind – ein Erfolg, der aber durch die einstweilen anhaltend hohe Arbeitslosenrate von neun Prozent noch überschattet wird. Es kann daher sein, dass der vergleichsweise liberale Wirtschaftskurs von Macron Erfolge zeitigt, die aber nur langsam in der Breite spürbar werden.