Macron will Arbeitsrecht blitzschnell lockern
Von Danny Leder
Eigentlich gehört die Meldung nicht direkt zur Berichterstattung über die Folgen des Siegs der Partei von Präsident Emmanuel Macron und seiner Verbündeten, die nunmehr über 350 der insgesamt 577 Sitze in Frankreichs Nationalrat verfügen. Aber der Hilferuf einer katholischen Wohltätigkeitsorganisation ließ aufhorchen: Sie müsse an einer Uni in der Stadt Montpellier, Nahrungsmittel verteilen, weil etwa ein Viertel der Studenten immer öfter auf Mahlzeiten aus Geldmangel verzichten. Tatsächlich sind Jugendarmut und Jugendarbeitslosigkeit (24 Prozent der nicht in Ausbildung stehenden 15 bis 24-Jährigen) das höchst entzündliche Kernthema für Macron. Der Staatschef ist überzeugt, dass man die Arbeitslosigkeit, die in Frankreich chronisch höher als etwa in Deutschland oder Großbritannien liegt, nur durch eine Lockerung des arbeitsrechtlichen Bestimmungen und namentlich des Kündigungsschutzes senken kann. Nur so würden Unternehmer mehr Anstellungen riskieren. De facto geht das in Richtung der deutschen "Mini-Jobs", vielleicht auch der britischen "Null-Stunden-Verträge", auch wenn Macron das nicht offen zugibt. Diese zweite Reform des Arbeitsrechts (eine erste hatte Macron als Wirtschaftsminister der SP-Regierung angestoßen) soll noch im Juli vom neuen Nationalrat per Eil-Verordnung durchgewunken werden.
Links & Rechts dagegen
Der Linkstribun Jean-Luc Mélenchon und auch die Nationalpopulistin Marine Le Pen, die beide den Einzug ins Parlament geschafft haben, werden wortgewaltig dagegen auftreten, ein paar Sozialisten Bedenken äußern. Aber jene Gewerkschaftsbünde (es gibt mehrere in Frankreich), die bereits gegen die erste Arbeitsmarkt-Reform unter Francois Hollande vergeblich gestreikt hatten, wissen, dass sie ihre ermattete Basis zurzeit kaum bewegen können.
Macron will aber auch durch die Ausdehnung der Arbeitslosenstützen auf Selbstständige und sogar auf Arbeitnehmer, die von sich aus kündigen, die berufliche Mobilität ermutigen. Soziale Ansprüche sollen weniger ans Kollektiv, etwa an eine Branche, gebunden sein, dafür eher die Person begleiten.
Bei Umfragen sank die Ablehnung gegenüber der Arbeitsmarkt-Reform von ursprünglich 70 auf zuletzt 50 Prozent. Kevin, ein 30 Jähriger, der bisher nur Gelegenheitsjobs fand, sagt: "Macron macht mir keine Angst, im Gegenteil. Die meisten von uns jonglieren doch schon in einer prekären Berufswelt." Aber der Umstand, dass in Frankreich atypische Arbeitsverhältnisse bereits geläufig sind, wirft für einige Wirtschaftsforscher die Frage auf, was die zusätzliche Lockerung des Arbeitsrechts überhaupt noch bewirken kann.