EU-Wahl: Das Match der Spitzenkandidaten
Von Evelyn Peternel
Noch 13 Tage bis zur EU-Wahl: Die heiße Phase des Wahlkampfs ist heute Abend mit der Puls4-Arena eingeläutet worden - erstmals traten dort die Spitzenkandidaten von SPÖ, ÖVP und FPÖ gegeneinander an. Bei den Wählern kommen derzeit die Vertreter der beiden Großparteien am besten an; laut OGM-KURIER-Umfrage haben im Moment Eugen Freund (SPÖ) und Otmar Karas (ÖVP) die besten Chancen auf Platz 1, Harald Vilimsky (FPÖ) liegt allerdings nur wenige Prozentpunkte dahinter.
Thematisch hat sich's heute neben den angestammten EU-Themen viel um zwei Nebenschauplätze gedreht: Conchita Wursts Songcontest-Sieg und die kürzlich aufgetauchten Anschuldigungen gegen Eugen Freund - er soll angeblich einst Informant des jugoslawischen Geheimdienstes UDBA gewesen sein.
Wer sich generell über die EU-Wahl informieren will, ist bei unserem großen Wahl-Special richtig.
Danach die Schlussstatements der Kandidaten. Vilimsky nennt sich "den positiven Revolutionär, der Dinge verändern will ", Karas sieht sich als einzigen, der "Europa besser machen will und nicht Schuld zuweist", Freund hingegen möchte "die großen Probleme, die Europa hat - etwa die Arbeitslosenproblematik - lösen."
Damit geht die Debatte zu Ende - zum Schluss noch ein wenig Statistik: Bei der Redezeit liegt Freund ganz hinten, Vilimsky in der Mitte und Karas deutlich vorne. Eine Tatsache, die Corinna Milborn zu einem hübschen Schlusswort verleitet: "Vielleicht haben Sie deshalb gewonnen, weil sie so wenig geredet haben", sagt sie zu Eugen Freund.
Wir schließen uns an und beenden damit unseren Live-Ticker - danke fürs Dabeisein!
Das nächste Zwischenergebnis: Karas bekommt 17 Punkte, danach Vilimsky mit 25 und wieder Freund mit 36 Punkten an der Spitze. OGM-Experte Bachmayr dazu: "Es ist überraschend, aber ich erkläre es damit, dass Freund seine langjährige Erfahrung ins Spiel gebracht hat. Ich habe dazu drei Begriffe: Freund - Moderator, Karas - Experte, Vilimsky - Wahlkämpfer." Karas sei immer hochkompetent gewesen, sei aber zu sehr in Expertengehabe verfallen, deshalb das schlechte Ergebnis.
Inhatlich seien für die Zuseher Wirtschaft und Arbeit, gleich danach Sicherheit am wichtigsten gewesen - gerade das dritte Thema hätte Vilimsky besser nützen können, so Bachmayr.
Rabl schlägt die Brücke zur Jugendarbeitslosigkeit - 14 Millionen junge Menschen seien in Europa joblos, und dafür habe die EU nur sechs Milliarden ausgegeben. Im Vergleich zur Bankenrettung eine Kleinigkeit, wirft er vor allem Karas vor. Der putzt sich an den Nationalstaaten ab: "Die Länder wollten uns nicht mehr geben", sagt er - die Nationalstaaten hätten so entschieden. Vilimsky unterbricht und wirft den Namen jenes Reeders in die Runde, den die FP auf dem Plakat abgebildet habe - ein Ordnungsruf Rabls folgt: "Herr Vilimsky! Sie sind nicht auf einer Parteiveranstaltung!"
Freund hingegen putzt sich wieder am politischen Gegner ab: "Wir habe fast überall konservative Mehrheiten", und die würden wiederum auf die Finanzpolitik Rücksicht nehmen.
Die allgegenwärtige Bankenrettung ist als nächstes dran: Die nächste Frage kommt passenderweise von einem Zuseher, der aus Griechenland kommt. Er wirft Karas Untätigkeit vor, der FP wiederum Hetzerei - der VPler reagiert gelassen und argumentiert sachlich mit Bankenunion und Rettungspaket, auch damit, wie sehr Österreich wirtschaftlich gelitten hätte, wäre Griechenland pleite gegangen.
Vilimsky geht hingegen auf Konfrontationskurs. Dass die FP ein Plakat mit der griechischen Flagge und einem mit Geld wedelnden Mann in der Hängematte gezeigt habe, sei unter aller Kritik gewesen - Vilimsky kontert kaum: "Das war ein griechischer Reeder, der die erste Hilfstranche bekommen hat", sagt er lapidar und verweist den Herren auf ein Gespräch nach der Sendung.
Das Feedback des Publikums nach der Pause: Karas bei 24 Punkten, 27 für Vilimsky, 36 Punkte für Freund - alle drei konnten sich steigern. Wieso Karas nicht ankommt, kann er sich selbst nicht ganz erklären - er quittiert die Frage danach mit einem platten "man kann ja alles verbessern, auch die Europäische Union."
Danach wieder ein Schwenk zum Publikum, eine Dame fragt nach der Flüchtlingsproblematik. Freund verweist darauf, dass ein anderes Verhalten der Frontex-Beamten nötig sei - etwas, das nun auch gesetzlich vorgeschrieben sei: "Sie müssen jetzt Hilfe leisten, dürfen die Boote nicht abdrängen", sagt er. Auch die Zustände in den Ursprungsländern seien zu verbessern. Karas plädiert für einen Aufteilungsschlüssel: "Nicht jeder kann nach Europa", meint er. Etwas schärfer formuliert es Vilimsky: Vier von fünf Asylwerbern würden mit falschen Daten agieren, bricht er die Problematik auf nationale Ebene herunter. Nur Asylgründe nach Genfer Konvention - Stichwort Syrien - seien zulässig, sagt der FPler.
Ein lauter Zwischenruf von Karas, gerichtet an Vilimsky: "Sie reden immer von nationalen Dingen, dabei kandidieren Sie fürs Europäische Parlament!", ärgert er sich - und kriegt dafür Applaus vom Publikum.
Auf Twitter lässt der Strom an Nachrichten übrigens schön langsam nach. Ein möglicher Grund: ORF2.
In der Pause ein paar Eindrücke und ein kurzes Zwischenresümee: Karas ist bemüht, die europäische Ebene zu betonen - wie immer; festnageln lässt er sich dabei aber nicht, auch nicht vom angriffigen Peter Rabl. Freund ist - auch wie stets - unverbindlich, leistet sich zum Glück für SP aber aber keine großen Schnitzer. Vilimsky ist angriffig, mitunter untergriffig und kommt erstaunlich lang und viel zu Wort.
Ein Themenwechsel - Arbeitslosigkeit, Lohndumping und die Pflegedebatte. Vilismky argumentiert mit einer Anhebung der Gehälter - "man kann doch nicht sagen, die Jobs sind so schlecht bezahlt, dass sie nur die Ausländer machen?"; Freund hingegen "will sich nicht auf eine Lohndumping einlassen."
Die eigentliche Frage, warum denn Mindestlöhne nicht auf EU-Ebene geregelt sind, darf Karas beantworten: Er verweist auf die - höchst umstrittene - Dienstleistungsrichtlinie, in der gesichert ist, dass auch bei Nicht-Staatsbürgern nationale Arbeitsgesetze angewendet werden müssen. All jene, die aus dem Ausland kommen und in Österreich arbeiten, müssten auch nach nationalen Mindeststandards bezahlt werden. Eine generelle Harmonisierung sei aber unmöglich: "Bulgarische Standards für Österreich? Oder österreichische Standards für alle?", fragt er in den Raum - dies sei einfach nicht leistbar, sagt er - kurze Pause, danach kommt wieder eine Umfrage.
Eine Zuschauerfrage glättet die Wogen ein wenig. Ein Ehepaar erzählt von seinen Erlebnissen mit Einbrüchen im Grätzel und im eigenen Haus. "Österreich ist ein Selbstbedienungsladen geworden", liefert der Herr aus dem Publikum eine Steilvorlage für Vilimsky - die Frage richtet er aber an Eugen Freund: Was er denn machen wolle, um sowas zu verhindern? "Ich habe ein gutes Gespür dafür, was Ihnen angetan wurde", sagt der SP-Spitzenkandidat. Er verweist auf Frontex, die Zusammenarbeit der Grenzpolizei und der Exekutive. So auch Karas: "Wir brauchen dafür aber mehr Geld und mehr Ausrüstung", sagt er - "alles kann besser gemacht werden."
Dann darf Vilimsky: "Das sind zum überwiegenden Teil importierte Kriminalität aus Osteuropa", sagt er in Richtung Karas, den er sogleich als "EU-Pfarrer" tituliert. Sein Vorschlag: Eine Volksabstimmung über Schengen. "Liebe Österreicher, wollt ihr zehn Minuten Wartezeit an den Grenzen, um sicherer zu sein?", polemisiert er. Freunds Kommentar: "Ich glaube nicht, dass das zur Diskussion steht."
Puls4 hat die Werbepause dafür genutzt, die repräsentativen 500 Zuseher um ihren Eindruck zu bitten - das Ergebnis: 32 Prozent für Freund, ein recht eindeutiges Votum; man vertraut dem ehemaligen ZiB-Moderator offenbar.
Danach geht's wieder zum Inhaltlichen - zumindest oberflächlich: Vilimsky übt sich in Seitenhieben - "Herr Freund, das möchte ich ihnen jetzt sagen, weil sie jung und neu in der Politik sind", bekommt der SPler etwa zu hören. Der bleibt halbwegs sachlich und gönnt Vilimsky keine Retourkutsche. Er bringt stattdessen ein "Taferl" - selbstgezeichnet, alle Achtung - ins Spiel; dort erklärt er, was das pazifische Abkommen zwischen Asien und den USA mit jenem der Europäer zu tun hat - nämlich, dass die Amerikaner dasselbe Standard-Problem mit Asien haben würden wie die Europäer mit den USA. Aufgelegt für Vilimsky: "Da gleichen sich die Amerikaner den Asiaten an, und wir uns den Amerikanern. Na bravo."
Rabl unterbricht und will von Karas nochmals wissen, ob das Parlament wohl gegen das TTIP-Abkommen stimmen würde, wenn die Standards nicht gewahrt würden - der wiederholt sich mit "Ja, sicherlich." Nochmaliges Nachfragen von Rabl; jetzt unterbricht sogar Corinna Milborn ihren Kollegen, der sich ein wenig in Rage geredet hat.
Werbepause. Zeit, um sich den Zusehern zu widmen: Glaubt man Twitter, so kommt die etwas aggressive Moderation von Peter Rabl nicht besonders gut an - dort fragt man sich etwa, warum der Moderator einen so lauten Ton anschlagen muss.
Die nächste Publikumsfrage, diesmal geht's ums umstrittene Freihandelsabkommen - die Frage geht an Karas, immerhin der einzige aktive Parlamentarier im Raum. "Das europäische Parlament hat das letzte Wort", sagt er; die Verhandlungen würden ja noch andauern und man habe strikte Richtlinien, die auch die Sorgen der Bürger berücksichtigen würden. Etwas, das ihm Rabl nicht so ganz glauben will, schließlich werbe er ja gerne für die Vorteile der Globalisierungs-Schritte der EU.
Ein wenig anders Eugen Freund: Die SP verweigere klarerweise ihre Zustimmung, wenn nicht alle europäischen Standards gewahrt würden. Die FP poltert gewohnt dagegen und bringt Hormonfleisch und Chlorhuhn ins Spiel.
Kurzer Seitenblick: Auf Twitter wird die Arena fleißig kommentiert - nicht nur positiv, versteht sich.
Das nächste Thema: Die Russland-Ukraine-Krise, die Frage - "wie stehen Sie dazu?" - kommt von einem Zuseher aus der Ukraine. Vilimsky, angesprochen auf seine etwas irritierenden Beziehungen zu Russland - die FP hat aus nicht ganz klaren Gründen eine Nahbeziehung zum Kreml -, rechtfertigt sich damit, dass er immer dafür eingetreten sei, die Ukraine näher zur EU zu holen. "Mir blutet selbst das Herz, wenn ich sehe, was in der Ukraine passiert", sagt der FPler. Dass Parteikollegen als "Wahlbeobachter" beim Krim-Referendum anwesend waren und dieses für fair erklärt haben, findet er nicht weiter tragisch - "das ist ein ehrlicher Weg".
Freund hingegen sieht die Mission der FPler nicht so unkritisch - ein Affront für den FPler am Tisch: "Herr Freund, Sie tun jetzt so, als wäre die SP die Partei, die für lupenreine Demokratie stünde", schimpft Vilimsky in Richtung Freund - der lässt diesen Anwurf kommentarlos stehen.
Retour zur Ukraine: Ob die drei für ein europäisches Heer seien? Karas ist für eine Stärkung der nationalen Heere, aber für eine gemeinsame Koordinierung; Freund meint, dies "wäre angesichts der Ukraine ein falsches Signal" - dies sieht auch Vilimsky so.
"Von A bis Z erstunken und erlogen", seien die Vorwürfe, die im Vorfeld dieser Diskussion gegen Eugen Freund aufgekommen sind - so die Antwort auf die erste Frage von Peter Rabl. Freund wurde gestern dafür kritisiert, angeblich in den 1970ern mit dem jugoslawischen Geheimdienst kooperiert zu haben - "völlig unwahr", kommentiert Freund lautstark. Er überlege sogar, zu klagen.
Thema zwei, ebenso aufgelegt: Conchita Wurst. Eine Frage aus dem Publikum dazu, passenderweise von Chantal St. Germain, selbst eine Drag Queen: Sie will wissen, wie die drei großen Parteien zur Gleichstellung von Homosexuellen und Transgender-Personen stehen. Eugen Freund ist "absolut dafür", freut sich über den Sieg Conchitas; so auch Othmar Karas ("in wirkliches Signal für Toleranz, das kann man sehr begrüßen"). Spannender hier schon die Antwort von Harald Vilimsky, der ja weniger für seine Offenheit gegenüber Homosexuellen bekannt ist: "Man hat ja den Eindruck, Conchita Wurst sei das Gesicht der Europäischen Union", meint er. Er hätte sich mehr "kulturelle Eigenheit des Landes" gewünscht; zumindest ein Lied auf Deutsch wäre ihm recht gewesen.
In puncto Adoptionsrecht - in Österreich derzeit ja keine Möglichkeit für Homosexuelle - gibt sich Karas schwammigst: "Das ist eine nationale Entscheidung. Ich bin hier für die Rechte des Einzelnen."
Es geht los - moderiert wird, wie schon bei der Nationalratswahl, von Corinna Milborn und Peter Rabl, der offizielle Hashtag lautet #p4wahlarena. Übrigens: 500 ausgewählte Zuseher stimmen nach der Sendung über die Performance der drei Kandidaten ab - so kriegt die Wahlarena einen kleinen Beigeschmack von Castingshow.
Zur Einstimmung gibt's die KURIER-OGM-Umfrage zu den drei Herren; hier liegen Freund und Karas fast gleichauf.
... und hier passend dazu ein Eugen-Freund-Porträt.
Willkommen! Zur Einstimmung mal etwas über die Diskutanten des Abends - hier ein Porträt von Othmar Karas, dem aussichtsreichsten Kandidaten der VP...