Halb Hamburg ist nun Gefahrenzone
Von Evelyn Peternel
In New York nennt sich die Praxis „Stop and frisk“ - und auch dort ist sie umstritten. Deutschlands reichste Stadt hat das System des Anhaltens und Durchsuchens jetzt ebenso eingeführt wie die US-Metropole. Im Schanzenviertel, in St. Pauli, in Altona - dort, wo sich Touristen und Hipster am liebsten aufhalten - führt Hamburgs Polizei nun ihr ganz eigenes Regime.
Seit dem 4. Jänner gilt das Gefahrengebiet in der SPD-regierten Hansestadt. Seither dominieren Polizeihubschrauber die Szenerie, iImmer wieder dröhnen Polizeisirenen auf den Straßen – so sieht es aus, wenn die Stadt Hamburg ernst macht.
Die "Rote Flora"
Hamburg im Ausnahmezustand
Leib und Leben
Das Gefahrengebiet soll nun die Attacken auf die Exekutive eindämmen. Die Polizeistation an der Reeperbahn, die berühmte Davidwache, war bereits Ziel der Angreifer – 300 Vermummte hatten sie mit Steinen beworfen, mehrere Autos komplett zerstört. Dies will man jetzt unterbinden: Wer sein Gesicht nicht zeigen will, wird in Gewahrsam genommen. „Dadurch können relevante Personengruppen einschließlich ihrer mitgeführten Sachen überprüft und aus der Anonymität geholt werden“, argumentiert die Polizei. Schließlich gehe es um „Leib und Leben der Beamten“.
Irritation und Kritik
Doch die Zahl der Kritiker wächst: Grüne und FDP geben sich zwar noch verhalten, fordern eine Überprüfung der Verhältnismäßigkeit; der Linken-Politikerin Christiane Schneider geht aber laut Deutscher Welle die "Einrichtung eines Gefahrengebiets, in dem Zehntausende Menschen leben, entschieden zu weit“. Auch die Bewohner der Viertel, die nun als Gefahrenzone ausgewiesen sind, sind irritiert durch die Härte der Politik.
Wie lange die Bewohner der Sternschanze und der umliegenden Viertel noch mit dieser Situation leben müssen, ist ungewiss: Erstmals hat die Stadt der Polizei kein zeitliches Limit für die Gefahrenzone gesetzt. In New York dauert dieser Ausnahmezustand nun schon seit den 1990ern an - 684.000 Personen wurden allein im Jahr 2011 gefilzt.