Le Pens Front National steckt in schwerer Krise
Von Danny Leder
Marine Le Pen und ihr „Front national“ (FN) stecken in einer schweren Krise. Die Nationalistin, die sich zeitweilig bereits als Siegerin der Präsidentenwahl wähnte, hat ihre Niederlage gegenüber Macron nicht verwunden. Sie kam zwar in der Stichwahl um den Elysée-Palast am 7. Mai auf fast 34 Prozent, blieb aber weit unter den Ursprungserwartungen ihrer Partei, der jetzt Abspaltungen drohen.
Was Le Pen am meisten zu schaffen macht, ist ihr klägliches Versagen im entscheidenden TV-Duell mit Macron am 3. Mai, nur vier nach Tage vor der Präsidentenwahl: sie wirkte damals derartig inkompetent und hilflos, dass sich viele ihrer Anhänger geniert zeigten und jede Hoffnung auf einen Sieg aufgaben. So konstatierte ein FN-Politiker, vor seinem Partei-Austritt, auf Facebook: "Jeder ehrliche und hellsichtige Franzose weiß, dass Marine Le Pen niemals Präsidentin sein wird, weder in fünf, noch zehn oder 15 Jahren".
Ihr persönliches Scheitern bei der Präsidentenwahl ist untrennbar mit ihren Austrittsabsichten aus der EU und dem Euro verbunden. Beides wird von einer Mehrheit der Franzosen abgelehnt. Deshalb versuchte sie in der besagten TV-Debatte das Thema durch wirre Ansagen zu umschiffen, die sie erst recht unglaubwürdig erscheinen ließen.
Wegen des Euro könnte der FN platzen: die meisten Partei-Aktivisten wollen vom Euro-Ausstieg nichts mehr hören. Der wichtigste strategische Einflüsterer von Marine Le Pen, der Partei-Vizechef Florian Philippot, droht aber mit seinem Austritt, sollte der FN seinen Anti-EU-Kurs aufgeben.
Absturz bei Parlamentswahl erwartet
Le Pen dürfte zwar bei der jetzigen Parlamentswahl ihr Mandat in ihrer Bastion in Nordfrankreich erringen und mit rund einem Dutzend weiterer FN-Abgeordneten ins Parlament einziehen, aber das ist sehr bescheiden im Verhältnis zu den insgesamt 577 zu vergebenden Sitzen der französischen Nationalversammlung. Für die Bildung einer eigenen Parlamentsfraktion sind 15 Abgeordnete nötig, und es ist nicht sicher, ob der FN diese Mandatszahl schafft.
Dieses voraussichtlich schwache Abschneiden der Nationalistenpartei hängt zwar mit dem Verlust des ursprünglichen Elans von Marine Le Pen und der Demoralisierung etlicher FN-Aktivisten nach der misslungenen Präsidentenwahl zusammen. Aber die Schuld an der extrem unterproportionalen Vertretung des FN im künftigen Parlament trägt das französische Wahlsystem in zwei Durchgängen, das Mehrheitsparteien übermäßig begünstigt.