Lagebericht: Selenskyj meldet weitere Geländegewinne
Die Ukraine kommt bei der Rückeroberung von durch Russland besetzten Gebieten nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj weiter voran. Nachdem sich die russischen Streitkräfte von den Frontlinien im Süden und Osten zurückgezogen hätten, hätten ukrainische Truppen Nowowoskresenske, Nowohryhoriwka und Petropawliwka nordöstlich der Stadt Cherson befreit, sagte Selenskyj in der Nacht auf Donnerstag in seiner täglichen Video-Ansprache.
Die Ukraine werde sich nicht von der nuklearen Bedrohungen durch Russlands Präsident Wladimir Putin einschüchtern lassen. Russland habe bereits verloren. "Die Ukrainer wissen, wofür sie kämpfen. Und immer mehr Bürger Russlands erkennen, dass sie sterben müssen, nur weil eine Person den Krieg nicht beenden will", sagte er in Anspielung auf Putin.
London sieht "strategisches Dilemma"
Er und seine hochrangigen Militärbeamten hätten sich getroffen, um über die Rückgewinnung aller von Russland besetzten Gebiete zu diskutieren, fügte Selenskyj hinzu. Das ukrainische Militär im Süden teilte mit, seine Streitkräfte hätten mindestens 58 russische Kämpfer getötet sowie neun Panzer, 17 gepanzerte Fahrzeuge und vier Haubitzen zerstört. Die Angaben lassen sich unabhängig nicht unmittelbar überprüfen.
Großbritannien sieht die Invasoren indes im Kampf um die Südukraine in einem strategischen Dilemma. Eine der größten Herausforderungen für russische Kommandanten sei derzeit die zunehmende Bedrohung der strategisch wichtigen Stadt Nowa Kachowka am Südende des Dnipro-Stausees, hieß es am Donnerstag im täglichen Kurzbericht des britischen Verteidigungsministeriums. Der dortige Nachschubweg ist beschädigt, aber die Russen benötigen ihn dringend, um ihre Truppen jenseits des Flusses zu versorgen. Ein Rückzug von dort würde zwar die Verteidigung der Gebietshauptstadt Cherson verstärken, doch sei es wohl politisch geboten, das Gebiet jenseits des Flusses zu halten. Der Kreml verfüge kaum über weitere hoch qualifizierte und schnell einsetzbare Kräfte zur Stabilisierung der Front.
Der Chef der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, versicherte dem Kriegsherrn indes seine Solidarität. Das tschetschenische Volk werde die Politik der Staatsoberhauptes überall auf der Welt voll und ganz unterstützen, schrieb er am Donnerstag in der Früh auf Telegram. Zuvor hatte er sich schon dafür bedankt, dass er zum Generaloberst befördert wurde. Er sei dem Oberbefehlshaber "unglaublich dankbar" für die "große Wertschätzung".
Tschetschenien will weiter "Spezialeinheiten" senden
Kadyrow kündigte auch die Entsendung weiterer "Spezialeinheiten" in den Krieg an. Seine Kämpfer hatten von Beginn an eine wichtige Rolle in dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gespielt. Vor dem Hintergrund der jüngsten militärischen Rückschläge hatte Kadyrow aber offene Kritik an der Militärführung geübt und etwa den Einsatz von Atomwaffen ins Spiel gebracht.
Derweil halten die Kämpfe um die ukrainische Stadt Saporischschja an. Es habe zwei Tote gegeben, schrieb der Gouverneur der Region, Olexandr Staruch, auf dem Kurznachrichtendienst Telegram. Viele Menschen seien gerettet worden, fünf Personen seien noch unter den Trümmern. "Der Rettungseinsatz geht weiter." Mehrere Wohnhäuser seien durch den Beschuss beschädigt oder zerstört worden.
Russland hatte am Mittwoch die aus Sicht des Westens völkerrechtswidrige Annexion von den vier ukrainischen Gebieten Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson nach seiner Lesart besiegelt. Trotz der jüngsten Erfolge der ukrainischen Armee vor allem in Donezk und Cherson, zeigte sich Putin zuversichtlich, dass sich die Lage in den Gebieten bald stabilisieren werde.