Politik/Ausland

Krugman: Der Tod des Europäischen Projekts

Paul Krugman und Joseph Stiglitz sind bekannt für ihre kritische Haltung gegenüber den Forderungen der internationalen Gläubiger. Mehrmals äußerten sie ihre Bedenken im gekonnt pointierten Schreibstil zu den Verhandlungen in der griechischen Schuldenkrise. Nachdem die Gespräche um ein drittes Hilfspaket abermals ins Stocken geraten sind, erschienen weitere Anmerkungen der Ökonomen.

"Killing the European Project"

So kritisiert der Wirtschaftsnobelpreisträger Krugman die harte Haltung der EU und nennt die Liste der Forderungen der Eurogruppe "verrückt". Der US-Amerikaner betitelt seinen Kommentar in der New York Times mit "Killing the European Project" und sieht sich auch in seiner Annahme bestätigt, dass die EU, die er immer gelobt und unterstützt hätte, "gerade einen furchtbaren, vielleicht sogar tödlichen Schlag erlitten" hat. "Und was immer man von Syriza oder Griechenland hält - die Griechen haben es nicht verbockt."

"Und was immer man von Syriza oder Griechenland hält - die Griechen haben es nicht verbockt."


Im Konkreten echauffiert sich Krugman über das Vorgehen der Eurogruppe, die seiner Meinung nach über die Strenge hinaus "in schiere Rachsucht, in kompletter Zerstörung nationaler Souveränität, ohne Hoffnung auf Abhilfe" gehe. Das sei ein "grotesker" Verrat an allem, wofür das europäische Projekt eigentlich stehen sollte. Die Wirtschaft spiele dabei eher eine Nebenrolle. Es geht, so der renommierte Wirtschaftsexperte, um Machtverhältnisse, die im Schuldenstreit am Höhepunkt angelangt sind: "In den vergangenen Wochen haben wir gelernt, dass Mitglied der Eurozone zu sein bedeutet, dass die Gläubiger Deine Wirtschaft vernichten können, wenn Du aus der Reihe tanzt."

Stiglitz: "Mangel an Solidarität"

Seiner Meinung schließt sich auch Joseph Stiglitz an. Er wirft vor allem der Regierung aus Berlin "Mangel an Solidarität" vor. Die Eurozone könne nicht ohne ein "Mindestmaß an Solidarität" betrieben werden, sagt der Nobelpreisträger gegenüber der französischen Nachrichtenagentur AFP.

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Bild: Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz

Auch für ihn untergrabe Deutschland mit seiner harten Haltung den "gesunden Menschenverstand" von weitsichtiger Politik und das Gefühl von Zusammenhalt in Europa. Die bisherige Krisenpolitik sei eine "Katastrophe". Deutschland, sagt der frühere Ökonom der Weltbank, habe Europa "einen Schlag ins Gesicht" versetzt.

Piketty: Sparpolitik gescheitert

Thomas Piketty, bekannt durch seine 800 Seiten umfassende Analyse "Le Capital au XXIe siècle" (dt.: "Das Kapital im 21. Jahrhundert"), hatte sich bereits vor Tagen in einem offenen Brief gegen die Griechenland-Politik von Angela Merkel gewendet. Mit berühmten Ökonomen wie Jeffrey Sachs erklärte der französische Wirtschaftswissenschaftler auf der Webseite des Politikmagazins The Nation, das die Austeritätspolitik gescheitert sei. "Die griechische Regierung wurde gebeten, sich eine Knarre an den Kopf zu halten und abzudrücken", so die eindringlichen Worte der Autoren.

“Right now, the Greek government is being asked to put a gun to its head and pull the trigger.”


Sie haben Kanzlerin Angela Merkel aufgerufen, einem Schuldenschnitt zuzustimmen, um eine Existenzkrise der gesamten Europäischen Union und weitere Verschlechterung der Situation zu verhindern.

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Bild: Frankreichs Starökonom Thomas Piketty

Piketty gilt seit seinem internationalen Bestseller als Garant für wirtschaftspolitische Fragen. Doch der offenen Brief scheint kein Coup vom Franzosen zu sein. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, hätte ein Mann namens Daniel Boese seine Hände im Spiel gehabt. Er sei "media campaigner for Avaaz", eine umstrittene digitale Aktivistenorganisation mit nach eigener Aussage weltweit knapp 42 Millionen Mitgliedern, die seit 2007 globale Kampagnen lanciert.

Avaaz ist der breiten Öffentlichkeit durch ihr Engagement für den Tier- und Umweltschutz, Klimawandel, die Kampagnen gegen China, das Militärgefängnis Guantanamo und die Korruption in Indien bekannt. Und nun auch Griechenland. Die Organisation steht jedoch nicht vorbehaltlos im Raum. Aktivisten der Organisation hätten beispielsweise im Syrienkrieg aktiv ins Geschehen eingegriffen, schreibt die Süddeutsche Zeitung. Beim Beschuss ihres Medienzentrums starben zwei Journalisten und bei der Evakuierung überlebender Reporter kamen 13 syrische Aktivisten ums Leben.

Habermas: Menschen retten, nicht Banken

Noch ein paar Tage früher meldete sich erstmals ein deutsches wissenschaftliches Schwergewicht zur griechischen Schuldenkrise zu Wort. Für den deutschen Philosophen und Soziologen Jürgen Habermas habe Angela Merkel die Krise mitverursacht. Der Kanzlerin seien die Anlegerinteressen wichtiger als die Sanierung der griechischen Wirtschaft, schreibt der Deutsche. Das schwache Auftreten der Syriza-Regierung habe zwar einen Teil zu den verhärteten Fronten beigetragen, aber man dürfe nicht Banken, sondern Menschen retten.

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Bild: Jürgen Habermas, deutscher Philosoph