So führt Merkel die EU durch die Krise
Für den Economist war die Sache klar: Stick with Mutti („Halte dich an Mutti“) lautete die Wahlempfehlung des britischen Wirtschaftsmagazins. Auf dem Cover: Ein sich biegender Eiffelturm, ein versinkender Big Ben, der gefallene Turm von Pisa – und mitten drin im untergehenden Europa, erhoben auf einer Säule, erleuchtet durch einen Lichtstrahl vom Himmel: Die Kanzlerin in typischer Pose – aufrecht, ruhig, die Finger zur Merkel-Raute geformt.
Das ist das eine Bild, das es von Angela Merkel in Europa gibt, in den reicheren Staaten: Das der redlichen Deutschen, die den Kontinent mit sicherer Hand und deutscher Strebsamkeit aus der Krise führt – zum Wohle aller.
Es gibt auch das andere Bild von Angela Merkel in Europa, in Griechenland etwa: Das der herzlosen Deutschen, die Europas Süden mit eiserner Hand und deutschem Spardiktat tiefer in die Krise stürzt – zum Erhalt von deutscher Macht und deutschem Reichtum. In diesem Bild trägt Merkel dann Nazi-Uniform und Hitler-Bart.
Konstante in der Krise
Außer Streit steht, dass die Kanzlerin Krisen-Konstante ist: Kein Regierungschef aus einem gewichtigen EU-Land ist so lange im Amt wie sie (seit 2005). In den anderen vier der „großen Fünf“ (Frankreich, England , Spanien, Italien) wurden ihre Kollegen in der Krise abgewählt.
So fährt Europa in den Krisen-Jahren auf Merkel-Kurs: kleine Schritte, klare Abmachungen, keine Hilfsgelder ohne Reformen.
Anfangs ist das Krisen-Management zu zögerlich: Der Hunderte Milliarden schwere Euro-Rettungsschirm, 2010 notwendig geworden durch die Lage in Griechenland, darf in Brüssel erst am Abend der Nordrhein-Westfalen-Wahl beschlossen werden. Merkel verspekuliert sich doppelt: Die CDU verliert NRW trotzdem, die Euro-Rettung überzeugt die Märkte nicht.
Merkel lernt: Es bleibt bei den kleinen Schritten, doch gibt es eine Richtung. Wir retten euch, lautet die Botschaft an die Pleite-Staaten – aber wir kontrollieren euch auch.
Ruhepol unter Polterern
Merkel erträgt Frankreichs Sticheleien gegen die Sparpolitik; sie bemüht sich, die Briten so gut es geht zu integrieren. Die Kanzlerin ist Ruhepol zwischen den Poltergeistern. Sie ist aber auch Verwalterin statt Gestalterin.
Neuordnung für die EU
Wenn Merkel heute von „mehr Europa“ spricht, meint sie eigentlich „weniger Brüssel“: Sie will eine engere Koordinierung, gerade in der Wirtschaftspolitik, das ist eine Lehre der Krise. Aber sie will das zwischen den Staaten – ohne die langwierigen Brüsseler Verfahren mit Kommission und Parlament.
Durchsetzen könnte sie das mit Cameron und Hollande, die sich oft über Brüssels Beamte ereifern. Was Merkel plant, wird man bald sehen: Wenn 2014 die Brüsseler Spitzen neu besetzt werden und sie wieder nur einen schwachen Kommissionschef wie Barroso duldet, einen blassen Ratspräsidenten wie Van Rompuy.
Das wäre auch eine Absage an Spekulationen, wonach Merkel selbst nach Brüssel wechseln will. Klar, sie könnte sich den Job aussuchen. Doch wozu? Sie hätte nie mehr Macht als jetzt, wo sie als „Kanzlerin Europas“ gilt. Oder, wie der Economist titelte: One woman to rule them all.
Hintergründe und Informationen zur Bundestagswahl gibt es hier.
Die Finanzkrise hat der deutschen Politik heftig zugesetzt, der Standort Deutschland aber hat nichts an Attraktivität eingebüßt. Deutschland ist nach wie vor jenes Land in Europa, das bei ausländischen Unternehmen am besten ankommt. In so gut wie allen Standort-Rankings hängt Deutschland den Rest Europas deutlich ab.
In der Studie „Global Location Trends 2013“ von IBM konnte sich Deutschland sogar im internationalen Vergleich nochmals deutlich abheben. Während die industriellen Ansiedlungsprojekte in Deutschland um acht Prozent auf mehr als 600 gestiegen sind, sind sie international um acht Prozent gesunken. Manager loben vor allem die intakte Infrastruktur, die gut ausgebildeten Arbeitnehmer und das soziale Klima.
Was macht Deutschland so attraktiv? Thomas Gindele, Chef der Deutschen Handelskammer in Österreich, hat dafür zumindest zwei Erklärungen. Die eine lautet: „Deutschland ist einer der wenigen Wachstumsmärkte in Europa.“ Tatsächlich scheinen die Konjunkturaussichten bei unserem großen Nachbarn für 2014 glänzend zu sein. Einige Wirtschaftsforschungsinstitute sprechen gar von einem neuen Boom mit einem Wirtschaftswachstum von „um die zwei Prozent“. Die Exporte ziehen wieder an, der Überschuss in der deutschen Handels- und Dienstleistungsbilanz soll heuer sogar den Rekordwert von 200 Milliarden überspringen.
Billiglöhne
Die zweite Erklärung für die Stärke des Standortes Deutschland heißt: Reformen. „Wir haben den Arbeitsmarkt flexibilisiert. Damit wurden Anreize für Arbeitslose, im unteren Lohnbereich zu arbeiten, erhöht“, sagt Gindele. Zwischen 2005 und 2008 seien die Lohnkosten für die Betriebe nicht gestiegen. Erst 2010 habe es erstmals nach zehn Jahren wieder reale Lohnerhöhungen für die Beschäftigten gegeben. Für die Betriebe habe dies die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutlich verbessert.
Dass Deutschland in den Standort-Befragungen bei Managern gar so gut abschneidet hat für Gindele aber auch mit der Größe des Marktes sowie der Rechts- und Steuersicherheit zu tun.
Auf den Lorbeeren ausruhen dürfe sich das Land aber nicht. „Wenn der Standort weiter attraktiv bleiben soll, brauchen wir noch mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt. Der Kündigungsschutz etwa ist noch hoch. Österreich ist in diesem Punkt ein Vorbild für uns“, betont Gindele.
Ein Schlechtpunkt für Deutschland ist aus Sicht der Industrie die Energiewende. „Eine Änderung der Energiestrategie hat höchste Priorität“, sagt der Handelskammer-Chef. Die Wirtschaft habe große Sorge, dass die Belastungen zu hoch würden.
Gespannte Stimmung im „Adria Wien“ am Donaukanal. Nur noch wenige Minuten bis zur ersten Hochrechnung um 18 Uhr. Es wird ruhig im Lokal. Die Gäste – großteils Deutsche – blicken gebannt auf den Bildschirm.
Erasin ist mit seiner Meinung über das Wahlergebnis nicht alleine. Auch die 30-jährige Anna aus Hessen freut sich, dass die CDU so viele Stimmen dazu gewonnen hat. Der Hamburger Alexander Klausen ist ebenfalls erleichtert.
„Das große Plus bei der CDU ist eindeutig Merkels Verdienst“, meint Maike Ratzke. Vor allem Merkels Umgang mit der Eurokrise habe vielen Deutschen zugesagt. „Trotzdem“, erwidert Maikes Mann Udo, „wäre eine absolute Mehrheit schlecht für das Image von Deutschland.“ „Das passt nicht zu einer Demokratie“, ergänzt Maike Ratzke.
Über das schlechte Ergebnis der FDP herrscht im Publikum eine ähnliche Meinung. Als die geringe Prozentzahl der Partei verkündet wird, klatschen viele im Raum. „Sehr gut“, sagt Student Malte Röhricht.
Unmut über FDP
„Ich bin sehr zufrieden, dass die FDP-Stammwähler konsequent ihre Stimme entzogen und so ihren Unmut zum Ausdruck brachten“, findet die 45-jährige Marion Rottendorf. Sie war selbst jahrelang FDP-Wählerin. Diesmal gab sie ihre Stimme der CDU.
Der Frankfurter Leitindex DAX hat erst vergangene Woche ein Rekordhoch erreicht. Durchaus möglich, dass am Montag diese Marke wieder überholt ist. Der „Traum für die Börse“ oder „die beste unter den möglichen Optionen“, den Analysten in einer Fortführung einer schwarz-gelben Koalition gesehen haben, hat sich zwar aufgelöst. Die Zugewinne für CDU/CSU stimmen die Aktienexperten dennoch positiv.
Andere Analysten sehen in einer großen Koalition jedoch auch einen mittelfristigen Hemmschuh für den DAX. Ein lautstarkes Gepolter bei den Koalitionsverhandlungen würde die Kurse in den ersten ein, zwei Wochen belasten.
Eine rot-rot-grüne Koalition würde für massive Kursverluste sorgen.