Kompromiss-Tüftler Hollande in höchsten Nöten
Von Danny Leder
"Rücktritt" und "Gauner" schallte es aus der Menge, die François Hollande auf dem "Agrar-Salon" in Paris am Wochenende bedrängte. Die größte Landwirtschaftsmesse der Welt ist für Frankreichs Politiker sowohl Pflichtveranstaltung als auch oft Spießrutenlauf. Aber diesmal fanden die Stänkereien und vereinzelten Schlägereien zwischen Bauern und Sicherheitskräften besondere Resonanz, weil weitere Krisenherde für Endzeitstimmung im Umkreis der sozialistischen Staatsführung sorgen.
Dabei zeigte Präsident Hollande auf dem "Agrar-Salon" Mut und ließ sich nicht aus der Fassung bringen. "Ich bin auch gekommen, um diesen Aufschrei des Leidens zu hören." Auch hat Hollande mehr Geld für die darbenden Viehzüchter flüssig gemacht als seine Vorgänger. Freilich stößt der Präsident an die Grenzen seiner Handlungsfähigkeit angesichts des Preisverfalls für Fleisch und Milch durch russische Sanktionen, dem Ende der EU-Milchquoten, dem chinesischen Importabbau und dem Druck der Handelsketten.
Zudem demonstrierten mehr als 50.000 Gegner eines Flughafenprojekts bei Nantes in Westfrankreich. Die Bewegung aus Bauern, Öko-Aktivisten und militanten Linken entzweit die Regierung, die gerade erst wieder grüne Politiker aufgenommen hat. Noch schwerer wiegen die Unstimmigkeiten angesichts einer geplanten Liberalisierung des Arbeitsrechts: darunter die Lockerung des Kündigungsschutz und die Umgehung der 35-Stundenwoche als Berechnungsgrundlage für Überstunden. Allerdings sind auch neue soziale Begleitmaßnahmen vorgesehen.
Selbstmord der Linken
"Wird die SP den Winter überstehen?", titelte das Blatt Le Parisien. Tatsächlich könnte dieses Gesetz zum finalen Zerwürfnis zwischen jenen SP-Abgeordneten führen, die dem sozialliberalen Kurs von Premier Manuel Valls folgen, und jenen, die darin einen Selbstmord der Linken sehen. Gewerkschaften und Jugendorganisationen rüsten zu Massenprotesten. Die prominente SP-Politikerin Martine Aubry veröffentlichte einen Aufruf unter dem Titel: "Genug ist genug!"
Valls pocht hingegen darauf, dass dem Anstieg der Arbeitslosenrate (10,5 %) nur durch ein flexibleres Arbeitsrecht begegnet werden kann. Im Gegensatz zu Hollande geht er seine Kritiker frontal an: Ihre Vorwürfe würden "zur Parteinahme zwingen zwischen zwei unversöhnlichen Linken, der des 19. Jahrhunderts und der des 21. Jahrhunderts". Beobachter vermuten, Valls steuere absichtlich auf eine Konfrontation zu, um im Fall einer Zurechtweisung durch Hollande als Premier zu demissionieren – mit dem Fernziel bei den Präsidentenwahlen 2017 statt Hollande anzutreten.