Könnte Trump Clinton besiegen?
Nach dem Rückzug seines parteiinternen Gegners Ted Cruz ist für Donald Trump der Weg frei: Der republikanische Bau-Milliardär zieht gegen Hillary Clinton in den Kampf um das Weiße Haus. Ein Rennen, bei dem es nach allen Regeln der bisherigen Wahlkampfkunst "nach einem großen Sieg für Clinton aussehen müsste", wie Politikwissenschaftler Reinhard Heinisch gegenüber dem KURIER ausführt.
24 landesweite Umfragen der vergangenen vier Wochen unterstreichen dies: In fast allen liegt die 69-jährige Ex-Außenministerin deutlich vor dem konservativen Geschäftsmann. Nur in einer einzigen (Rasmussen) hat Trump einen hauchdünnen Vorsprung von zwei Prozentpunkten.
Doch der streitbare Tycoon mit Hang zu verbalen Ausfällen startet mit einem veritablen Nachteil: Bei zwei Drittel aller US-Wähler ist er so unbeliebt wie noch kein Präsidentschaftskandidat vor ihm. Selbst in republikanischen Wählerkreisen ist oft zu hören: "Lieber gar nicht zur Wahl gehen als Trump wählen."
Skeptische Frauen
Große, und für einen Wahlsieg im gesamten Land unverzichtbare, Wählergruppen hat der Tycoon mit seinen derben Beleidigungen verprellt: Frauen, auch konservative, wollen ihn zu 70 Prozent nicht wählen. Nahezu geschlossene Ablehnung kommt von afro-amerikanischen Wählern, fast ebenso viel von Wählern mit Latino-Wurzeln. Am allerschlechtesten kommt der Milliardär bei jungen, nicht-weißen, gut ausgebildeten Wählern an – dort liegt Trumps Zustimmungsrate fast bei null.
"Trump ist Amerikas erster Ethno-Populist", sagt USA-Experte und Politologe Heinisch (Universität Salzburg). Er habe seine Erfolge vor allem bei den älteren, weißen und weniger gut ausgebildeten Wählern erzielt. Diese Siege bei den republikanischen Vorwahlen ließen sich aber nicht eins zu eins, so Heinisch, "bei allgemeinen Wahlen in einem multi-ethnischen Staat umsetzen".
Oktober-Überraschung
Könnte aber der Mann, den schon im bisherigen Wahlkampf alle unterschätzt haben, beim Urnengang am 8. November nicht doch noch siegen? "Bis dahin kann noch viel passieren", gibt Heinisch zu bedenken, "etwa die sogenannte Oktober-Überraschung, wie es in den USA heißt." Das könnte ein Terroranschlag sein oder sonst irgendeine Wendung oder Enthüllung im Wahlkampf, die alles in eine neue Richtung drehen könnte.
Größter Vorteil des politischen Outsiders Donald Trump: Sein Wüten gegen das politische Establishment in den USA hat viele neue Wähler an die Urnen gebracht. Als Symbolfigur des politischen Wandels könnte der Tycoon im Herbst noch zusätzlich Millionen Menschen an die Urnen bringen. Und Hillary Clinton, als Ikone des politischen Establishments, bietet sich dem polternden Tycoon dabei geradezu als ideales Feindbild an.
Doch entscheidend ist bei US-Präsidentenwahlen nicht nur, welcher Kandidat mehr Wähler zur Abstimmung motivieren kann, sondern vor allem, wo gewählt wird. Einige Bundesstaaten wählen immer demokratisch – wie etwa Kalifornien, anderen immer republikanisch – wie Texas. In den für sie nicht zu gewinnenden Bundesstaaten verlieren die Wahlkämpfer deshalb gleich gar keine Zeit. Umso heftiger gekämpft wird hingegen in den Swing-States, die mal so, mal anders wählen.
"Es geht dabei darum, eine Kombination von Staaten zu gewinnen, um auf die notwendige Zahl von Wahlmännern zu kommen", sagt Politologe Heinisch "und das verlangt eine bestimmte Strategie." Während Hillary Clinton diese offenbar bereits klar verfolge, so Heinisch, lasse Trump aber genau diese noch vermissen. "Normalerweise starten die Kandidaten im April ihre Vorbereitungen für ihre ,ground operations‘ in den Staaten. Aber davon ist bei Trump noch nichts zu sehen."