Schlimmer als gedacht: Klima-Experten schlagen Alarm
Es ist nicht nur ein Teilaspekt des Klimawandels, den der Weltklimarat IPCC in seinem Sonderbericht da heute thematisierte. Alles Leben auf der Erde hängt direkt oder indirekt von den großen Ozeanen, Wasser und Eis ab. Das Problem: Um die Wasserwelt der Erde ist es noch schlechter bestellt als bisher gedacht.
Der Bericht des Weltklimarats IPCC zeigt die Veränderungen auf, die die Ozeane und weltweiten Eis- und Schneevorkommen (Kryosphäre) im Zuge des Klimawandels durchlaufen haben und wahrscheinlich noch durchlaufen werden. Und die damit verbundenen Risiken, die je nach Grad der Klimaerwärmung zunehmen.
Bis zu 84 Zentimeter
Je nach Szenario wird der Meeresspiegel bis Ende des Jahrhunderts um 43 bis 84 Zentimeter steigen. Gebiete werden dadurch unbewohnbar, in denen heute Hunderte Millionen Menschen leben. Gletscher dürften von 2015 bis 2100 zwischen 18 und 36 Prozent ihrer Masse verlieren, in Europa sogar über 80 Prozent. Österreich ist besonders stark betroffen, wie wir hier bereits aufgezeigt haben:
Ohne Klimaschutz werden bis Ende des Jahrhunderts 49 bis 89 Prozent der wenig tiefen Permafrostböden tauen. Die Folgen sind gefährlich.
"Die Hänge in den Alpen und anderswo werden durch die immer wärmeren Permafrostböden instabil und setzen in den Polarregionen Kohlenstoff-Reservoire frei, die dort seit Tausenden von Jahren ruhten", ließ sich Konrad Steffen, Direktor der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL und Autor des IPCC-Berichtes, in einer Mitteilung der Akademie der Naturwissenschaften SCNAT zitieren. Dadurch gelangen bis Ende 2100 Dutzende oder gar Hunderte von Gigatonnen als Kohlendioxid oder Methan in die Atmosphäre.
Schmelzendes Eis in der Antarktis bisher unterschätzt
Das Schmelzen der Eisschilde und Gletscher beschleunige den Anstieg des Meeresspiegels, sagte Nicolas Gruber von der ETH Zürich, ebenfalls Autor des Berichts. Zwischen 2006 und 2015 lag der Anstieg bereits bei 3,6 Millimetern pro Jahr und damit 2,5 mal höher als der durchschnittliche jährliche Anstieg zwischen 1901 und 1990, wie der "Summary for Policymakers" des Sonderberichts zu entnehmen ist.
Bei den bisherigen Prognosen des Meeresspiegelanstiegs wurde gerade der Anteil des schmelzenden Eises in der Antarktis bisher unterschätzt, schrieb die SCNAT. Mit dem steigenden Meeresspiegel nehmen in diesem Jahrhundert Risiken wie Fluten oder Küstenerosion deutlich zu. Alleine die Schäden durch Überschwemmungen werden jährlich auf das 100- bis 1.000-fache ansteigen.
Der Bericht, an dem über 100 Forschende aus über 37 Ländern mitarbeiteten, unterstreicht die Dringlichkeit von Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen. Die Treibhausgas-Emissionen müssten "dringend und ambitioniert" gesenkt und die Folgen des Klimawandels auf die lebenserhaltenden Ozeane und die Kryosphäre gemindert werden, z.B. durch den Ausbau des Küstenschutzes durch Bauten oder Bepflanzungen.
Die Autoren des IPCC-Sonderberichts haben vor allem zwei Szenarien formuliert. Klimaforscher nennen sie RCP2.6 und RCP8.5. Das erste Rechenmodell stellt das beste Szenario dar.
Demnach steigt die globale Temperatur bis zum Jahr 2100 im Mittel nur um 1,6 Grad Celsius, maximal um 2,4 Grad. Weil sich das mit den Beschlüssen der Pariser Klimakonferenz von 2015 deckt, wird es als Paris-Agreement-Szenario bezeichnet.
Das zweite Modell - RCP8.5 - ist das Rechenmodell einer business-as-usual-Welt, in der durch mehr und mehr Treibhausgase die globale Erwärmung schon im Lauf des Jahrhunderts die Zwei-Grad-Marke durchbricht. Bis Ende des Jahrhunderts könnten auf diese Weise im Mittel bis zu 4,3 Grad mehr erreicht werden.