Kiew gesteht Kontrollverlust über Teile der Ostukraine ein
Von Stefan Schocher
Wenn Sicherheitsdienste kurzfristig in einer Hauptstadt trainieren sollen, kann das nichts Gutes bedeuten. Am Mittwoch kündigte der ukrainische Übergangspräsident Alexander Turtschinow ein solches Manöver in Kiew an. Angeblich soll es sich um eine Übung von Personenschützern für Spitzenpolitiker handeln. Stattfinden sollte sie bereits in der Nacht auf Donnerstag. Und auch, was Turtschinow sonst noch sagte, stimmt nicht gerade beruhigend: Die Armee sei landesweit in einen "totalen Alarmzustand" und "volle Kampfbereitschaft" versetzt worden, man wappne sich für eine Invasion Russlands. Es bestehe "echte Gefahr", dass Russland einen Landkrieg gegen die Ukraine führen wolle.
Zuvor hatten pro-russische Aktivisten in der ostukrainischen Stadt Lugansk nahe der Grenze zu Russland das Gebäude des Innenministeriums ohne Gegenwehr der lokalen Sicherheitskräfte übernommen. In der Stadt Gorliwka nahe Donezk überrannten Separatisten am Mittwoch Polizeistationen und Regierungsgebäude – ebenfalls ohne Gegenwehr.
Unruhen verhindern
In den Regionen Lugansk und Donezk habe Kiew über einige Gebiete die Kontrolle verloren, so Turtschinow. "Hauptgrund ist, dass die Sicherheitsorgane unfähig sind, ihren Pflichten nachzukommen", sagte er. Oberstes Ziel sei nun, ein Überschwappen der Unruhen auf weiter westlich liegende Regionen zu verhindern. Zu diesem Zweck würden lokale Freiwilligenmilizen gegründet.
In der Ostukraine haben Separatisten die Kontrolle über rund ein Dutzend Städte. In der Stadt Slowjansk haben bewaffnete Milizionäre zudem weiterhin sieben Militärbeobachter einer OSZE-Mission in ihrer Gewalt. In den Verhandlungen um ihre Freilassung jedoch zeichnet sich eine Lösung ab: Bei einem Besuch in Minsk sagte Russlands Präsident Wladimir Putin, er setze darauf, dass die Beobachter die Region ungehindert verlassen könnten. Auch der Chef der Miliz, in deren Gewalt sich die Beobachter befinden, äußerte sich zuversichtlich.
Referendum und Wahl
Die Geiselkrise in Slowjansk ebenso wie die gesamt-ukrainische Situation waren am Mittwoch Thema eines Besuchs von Österreichs Außenminister Sebastian Kurz in seiner Funktion als Vorsitzender des Europarates in Kiew. Gegenstand der Gespräche mit dem ukrainischen Außenminister Andrej Deschtschiza, Premier Jazenjuk, Regionalgouverneuren aus der Ostukraine sowie Vertretern unterschiedlicher politischer Lager waren die geplante Verfassungsreform, Wege zu einer Deeskalation im Osten, Minderheitenschutz sowie die für den 25. Mai geplante Präsidentenwahl. Am selben Tag soll nun auch ein Referendum über die territoriale Integrität des Landes stattfinden.