Politik/Ausland

Kasachstan: Der "lichte Herr der weltlichen Gewalt"

Der Sieger bei den vorgezogenen Präsidentenwahlen, die Sonntag in der Ex-Sowjetrepublik Kasachstan stattfinden, steht fest, bevor auch nur der erste Stimmzettel in die Urnen fliegt: Amtsinhaber Nursultan Nasarbajew, Staatschef des öl- und gasreichen Steppenstaates seit der Souveränitätserklärung 1990. Die beiden Gegenkandidaten – der Kommunist Turgun Sydykow und der Gewerkschaftsfunktionär Abdilygazi Kussainow – haben reine Alibi-Funktion.

Zwar lässt die Verfassung nur zwei Legislaturperioden zu, doch Nasarbajew sicherte sich den Machterhalt mehrfach mit Volksentscheiden und Grundgesetzreformen. Jetzt greift der Autokrat zu einem neuen Trick: Vorgezogene Präsidentenwahlen, mit denen die Zählung der Amtszeiten auf null gesetzt wird.

Nur auf inständige Bitten des 17 Millionen Seelen zählenden Volkes wolle sich der 74-Jährige den Tort noch einmal antun, schreiben die Medien. Offiziell nominiert wurde Nasarbajew von seiner Hausmacht, der Partei Nur Otan. Die "Leuchte des Vaterlandes" kontrolliert 98 der 107 Sitze der Madschlis. Der Rest geht per Quote an Vertreter der Minderheiten, darunter 180.000 Deutsche.

Doch selbst bei absolut freien und fairen Wahlen würde Nasarbajew das Rennen machen. Zwar nennt sein Clan, der die profitabelsten Unternehmen des Landes kontrolliert, ein Vermögen von über zehn Milliarden US-Dollar sein eigen. Doch einiges von den üppig sprudelnden Erlösen aus Energie-Exporten, durch die sich das Bruttoinlandsprodukt seit 1993 verneunzehnfacht hat, fällt auch für die Massen ab. Das Durchschnittseinkommen liegt inzwischen nur noch knapp unter russischem. Und in den nächsten fünf Jahren soll der soziale Wohnungsbau massiv gefördert werden, der Staat zu günstigen Preisen vermieten und Nutzern die Möglichkeit geben, den Wohnraum mit langfristigen zinsgünstigen Krediten als Eigentum zu erwerben. Im gleichen Zeitraum soll eine leistungsfähige verarbeitende Industrie mit Tausenden Arbeitsplätzen entstehen und die Infrastruktur modernisiert werden. Nurly Zhol – lichter Weg – heißt das Projekt, das der "lichte Herr der weltlichen Gewalt", wie Nasarbajews Vorname wörtlich übersetzt heißt, in seiner letzten Jahresbotschaft verkündete.

Äquidistanz

Die Herausforderungen seiner neuen Amtszeit, glaubt Sergei Markow, Direktor des Moskauer Instituts für politische Forschungen, seien daher nicht innen-, sondern außenpolitischer Natur. Äquidistanz – gleicher Abstand oder gleiche Nähe zu den Schwerkraftzentren einer multipolaren Welt.

Störungsfrei ist derzeit nicht einmal das Verhältnis zu Bündnis- und strategischen Partnern wie China oder Russland. Zwar ist Kasachstan das einzige UdSSR-Spaltprodukt, mit dem Moskau real auf gleicher Augenhöhe verhandelt und als Puffer zu den instabilen Nachbarn in Zentralasien schätzt. Doch statt von den kasachischen spricht Moskau von "unseren kasachstanischen Partnern". Das zielt auf die starken russischen Minderheiten in Nordkasachstan ab – und wird dann doch als zu viel Nähe empfunden.

Für Österreich war Kasachstan schon zu Zeiten der UdSSR wichtiger Energielieferant. Eine Beziehung, die auch nach der Unabhängigkeit des zentralasiatischen Gasriesen fortgesetzt wurde.

Schon deshalb fiel die Wahl auf Wien, als Kasachstans Dauerherrscher Nasabajew (siehe oben) einen Auslandsposten für seinen Schwiegersohn Rajat Aliyev suchte. Der war dem Autokraten im eigenen Land zu mächtig geworden, Putschgerüchte gingen um. Aliyev durfte zwar kurzfristig auf einen hochrangigen Posten nach Kasachstan zurück, blieb aber ansonsten im Wiener Exil. 2007 tauchten plötzlich Vorwürfe gegen ihn auf, er sei für den Tod zweier Manager einer von ihm geführten Bank zuständig.

Die Absetzung Aliyevs und ein endloser Rechtsstreit mit Österreichs besten und teuersten Anwälten folgte. Österreich widersetzte sich dem Auslieferungsantrag Kasachstans. Aliyev aber, der sich zwischenzeitlich nach Malta abgesetzt hatte, kehrte nach Österreich zurück und wurde verhaftet. Februar 2015 starb er in seiner Zelle. Der Rechtsstreit geht trotzdem weiter.