Politik/Ausland

Schreiduelle an der Klagemauer

Faule Eier werden geworfen, Wasser verspritzt und manchmal brennt sogar ein Gebetsbuch: Vor der Klagemauer in Jerusalem, dem heiligsten Ort des Judentums, kommt es in diesen Tagen immer häufiger zu Handgreiflichkeiten. Grund ist der Konflikt zwischen ultraorthodoxen Juden und einer der jüdischen Frauengruppe „Neschot Hakotel“, zu Deutsch „Frauen der Mauer“ (mehr Bilder dazu finden Sie hier). Diese Vereinigung gläubiger Jüdinnen besteht auf ihrem Recht, so an der Klagemauer beten zu können, wie es ihren Vorstellungen entspricht. Und das ist mit Gebetsschal, Gebetsriemen und dem liturgischen Gesang des Kaddisch, dem Lob Gottes.

Das aber, so sind die orthodoxen Juden überzeugt, ist eine Form des Gebetes, wie sie nur Männer ausüben dürfen. Frauen ist ihrer Ansicht nach nicht nur das Tragen des Schals verboten, auch ihr Gesang wird als Beleidigung religiöser Lehren und als offene Provokation verstanden. Frauen müssten sich auf den ihnen zugewiesenen, abgetrennten Platz vor der Klagemauer beschränken und hätten dort zu schweigen. Entsprechend aggressiv gehen die Orthodoxen gegen die Frauen an der Klagemauer vor. Erst am Freitag demonstrierten Hunderte Orthodoxe und wurden dabei gegen die Frauen von Neschot Hakotel sogar handgreiflich.

Orthodoxe Leitung

Die Klagemauer wird von einer Organisation verwaltet, die den Orthodoxen nahe steht. Diese haben in den vergangenen Jahren immer vehementer versucht, die Möglichkeiten für Frauen, vor der Klagemauer zu beten, massiv zu beschränken.

Der leitende Rabbiner der Mauer-Verwaltung brachte eine Klage gegen die Frauen ein und bekam vor Gericht recht. Seither ist die Polizei verpflichtet, gegen die Frauen vorzugehen, falls diese Gebetsvorschriften verletzen. Allein in den vergangenen sechs Monaten wurden 48 Frauen an der Mauer von den Beamten abgeführt. Seit zwei Jahren kann die Gruppe kein Gebet mehr abhalten, ohne dass nicht eine von ihnen festgenommen wird.

Für die Gruppe ein absolut inakzeptabler Verstoß gegen die freie Ausübung von Religion. Der Staat Israel, so beklagt sich eine Sprecherin, habe den orthodoxen Rabbinern die Kontrolle über die Klagemauer überlassen, und die nützten diese Macht nun dazu, um ihre Sicht des Judentums durchzusetzen. So würden Frauen, allein weil sie an der heiligsten Stätte des Judentums beten würden, kriminalisiert.

Die israelische Regierung hat inzwischen einen Vermittler eingesetzt, der zwischen den Streitparteien vermitteln soll. Premier Benjamin Netanyahu hat versprochen zu garantieren, „dass jeder Jude auf der ganzen Welt vor der wichtigsten nationalen und religiösen Stätte der Juden in der Weise beten kann, in der er es gewohnt ist.“

Nun soll ein eigener Abschnitt vor der Mauer eingerichtet werden, in dem Männer und Frauen gemeinsam und nach für beide gleichermaßen geltenden Regeln beten dürfen. Für liberale Gruppen ist auch das eine Beschränkung, die sie nicht hinnehmen wollen. Weder der Staat Israel, noch die Polizei könnten festlegen, wann und wie Frauen den Kaddisch sprechen dürften. Für die demonstrierenden Orthodoxen gibt es ohnehin keine Kompromisse mit den liberalen Damen. „Das sind keine Juden“, meint eine strenggläubige Jüdin und versucht das Gebet durch schrilles Geschrei zu übertönen.