Politik/Ausland

Italiens Parlamentspräsident startet Gespräche zur Regierungsbildung

Kann Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte im Sattel bleiben? Auf diese Frage wird es bis Dienstag eine Antwort geben. In vier Tagen entscheidet sich das politische Schicksal des parteilosen Juristen, der seit Juni 2018 Italien regiert. Der Präsident der Abgeordnetenkammer, Roberto Fico, prüft nach Wegen, um die Mitte-Links-Koalition auf die Beine zu stellen, die bisher Conte unterstützt hatte. Ob ihm dies gelingt, ist durchaus fraglich.

Der 46-jährige Fico, der zu den Gründern der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung zählt, ist seit 2018 Präsident der größeren der beiden Parlamentskammern. Er wurde von Staatspräsident Sergio Mattarella am Freitagabend überraschend beauftragt, Sondierungsgespräche zur Regierungsbildung zu führen. Ihm steht jetzt keine einfache Aufgabe bevor. Zwar wollen die Cinque Stelle und die Sozialdemokraten (Partito Democratico/PD) eine dritte Regierung Conte unterstützen. Mehrere einflussreiche Fünf-Sterne-Parlamentarier äußern jedoch Bedenken über eine Wiederbelebung der Allianz mit dem Juniorpartner Italia Viva um Ex-Premier Matteo Renzi.

Mit seinem Austritt aus der Regierungskoalition infolge des Streits um die Verteilung der EU-Hilfsgelder hatte Renzi das Land vor zwei Wochen in eine Regierungskrise gestürzt. Der Ex-Premier sei kein zuverlässiger Verbündeter, sondern ein Verräter, warnte der Fünf-Sterne-Spitzenpolitiker Alessandro Di Battista. "Nie wieder mit Renzi!", lautet sein Slogan. Eine neue Koalition mit Renzi könnte die Fünf-Sterne-Bewegung zutiefst spalten - mit gravierenden Folgen. Denn mit circa 32 Prozent der Stimmen im Parlament ist die Gruppierung für die Regierungsbildung entscheidend.

Rückendeckung erhält Fico bei seinen Bestrebungen zur Bildung eines neuen Kabinetts von seinem Parteikollegen Außenminister Luigi Di Maio. "Fico ist die richtige Person, um in dieser heiklen Phase den Dialog unter den politischen Kräften und die Bildung einer neuen Regierung zu fördern. Wir hoffen, dass die Vernunft siegen wird. Wir unterstützen Conte voll", betonte Di Maio. Der PD-Fraktionschef in der Abgeordnetenkammer, Graziano Delrio, rief die bisherigen Koalitionskräfte zu "gegenseitigem Verständnis und zur Einheit" auf. "Das ist, was sich Italien von uns erwartet", twitterte Delrio.

Renzi schloss eine Rückkehr seiner für die Stabilität einer neuen Koalition entscheidenden Splitterpartei in die neue Regierung nicht aus, gilt aber als Gegner Contes. Zwar kam es dieser Tage zu einem telefonischen Gespräch zwischen Renzi und Conte, das Vertrauen zwischen den beiden ist aber längst schon zerbrochen.

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Sollten Fünf Sterne und Sozialdemokraten wider Willen zur Fortsetzung der Allianz mit der Renzi-Partei gezwungen werden, könnte dieser klare Bedingungen für seinen Verbleib in der Koalition stellen. So könnte Italia Viva einflussreiche Ministerposten beanspruchen. Renzi könnte sogar verlangen, dass Conte durch einen anderen Premier ersetzt wird. Schließlich gebe es für das Amt des Ministerpräsidenten "nicht nur Giuseppe Conte", behauptet Renzi. So wurde zuletzt EU-Wirtschaftskommissar und Ex-Regierungschef Paolo Gentiloni ins Spiel gebracht. Auch die parteiunabhängige Ex-Präsidentin des Verfassungsgerichts, Marta Cartabia, könne als Kandidatin für den Premierposten infrage kommen. Damit würde in Italien erstmals in seiner Geschichte eine Frau einer Regierung vorstehen.

In dieser Situation hängt Contes politische Zukunft an einem seidenen Faden. Einer Umfrage des Forschungsinstituts Ixe zufolge ist der bisherige Ministerpräsident der Politiker mit den höchsten Vertrauenswerten. Sollte sich der Rechtsprofessor zur Gründung einer eigenen Partei entschließen, würde er laut Meinungsforschungen auf zehn Prozent der Stimmen kommen. Bisher hat der Süditaliener jedoch bestritten, Interesse an einer eigenen Partei zu haben. "Ich habe mit der Regierung Italiens in dieser präzedenzlosen Zeit genug zu tun", meinte Conte.