Politik/Ausland

Italien-Wahl: In der Ferne nicht so gerne

Der Auftakt der italienischen Parlamentswahlen am Sonntag verlief turbulent – zumindest für den Frontmann des Rechtsblocks Silvio Berlusconi.

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Als dieser in Mailand seine Stimme abgeben wollte, stürzten vor dem Wahllokal drei barbusige Frauen der Feministinnen-Gruppe Femen in Richtung des Cavaliere, um gegen ihn zu protestieren. Auf den Rücken der Teil-Entblößten, die von der Polizei abgeführt wurden, war zu lesen: „Basta Silvio“ – genug von Berlusconi.

Diese Meinung wird auch in Europa von vielen Politikern geteilt. Sollte er nach dem Urnengang, der am Montag zu Ende geht, wieder ein maßgebliches Regierungsamt erringen, fürchten viele um die Stabilität Italiens und letztlich um die des Euros.

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Erwartungen

Und was erwarten in Österreich lebende Italiener von der Wahl – wie sehen sie das politische Stehaufmännchen? Maurizio Berlini etwa, Geschäftsführer von Goldbach Austria, wollte entweder weiß wählen oder für den Linkskandidaten Pier Luigi Bersani stimmen. Dieser „scheint die beste Option zu sein, um eine Koalition um Berlusconis Partei zu verhindern“. Denn der habe „bei Reformen nicht wirklich was vorangebracht.“ Italien brauche somit eine stabile Mehrheit links der Mitte. Mario Monti wäre für Berlini aber auch wählbar.

Fabio Giacobello, Besitzer des Nobel-Italieners Fabios in der Wiener Innenstadt , sieht Berlusconis Politik ebenfalls kritisch. „Er hatte seine Chance, hat diese aber nicht genutzt.“ Es sei ein Desaster, in welcher Lage er das Land zurückgelassen habe. „Leider haben die Italiener das vergessen.“ Wegen der in Italien notwendigen Reformen hat Giacobello für Mario Monti gestimmt. „Er hat das Land gerettet“, auch das scheine man vergessen zu haben. Bersani und seiner Linkskoalition traue er nicht zu, das Land anzuführen.

Berlusconi? No, grazie

Der seit 20 Jahren in Österreich lebende Pianist Luca Monti will nicht verraten, für wen er gestimmt hat, nur soviel: „Ich habe gegen Berlusconi gewählt, mit allen meinen Kräften.“ Es sei für ihn eine Schande zu sehen, was in seinem Heimatland passiert. Für blöd dürfe man die Italiener jedoch nicht halten. „Die meisten werden durch Berlusconis Medienübermacht täglich manipuliert.“

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Kabarettist und SchauspielerCiro de Lucahat zwar seinen italienischen Pass zurückgegeben, um dem Marinedienst in seiner Heimatstadt Neapel zu entgehen, aber auch er hat so seine Meinung. „Wählen könnte man als aufgeklärter Mensch keine Partei“, so de Luca, aber bei Monti bestehe die Hoffnung, dass er „sich eher für die Sanierung als die Blamierung Italiens einsetzt.“

Den „Cavaliere“ sieht er als Zusammensetzung aus „Schmiergeld und Penis-Pumpe“, der „auf dem Rücken der Wähler Schulden macht“. Auch auf die jahrelangen leeren Versprechen weist der Kabarettist hin. De Luca ist sich jedoch sicher, dass Berlusconi nicht erneut gewinnen wird.

Über den Polit-Komiker Beppe Grillo sagt de Luca, dass dieser „nicht müde wird, die Italiener aufzuwecken, und er verdeutlicht, wie nahe Witz und Wahrheit beieinanderliegen.“

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Silvio Molin Pradel, Besitzer des Eissalons am Schwedenplatz in fünfter Generation, nahm ebenfalls nicht an der Wahl teil. Jedoch nicht in Ermangelung der Staatsbürgerschaft. Er habe sich zwar mit den Wahlen beschäftigt, aber es fällt ihm „zu schwer, jemanden zu wählen“. Chancen gibt er nur Bersani und Berlusconi.

Die Parlamentswahlen am 24. und 25.Februar sind ein Test für die italienische Zivilgesellschaft und weniger für die Politiker“, findet RAI-Journalist Giovanni Floris. Fünf Millionen Italiener entscheiden im letzten Moment, wem sie ihre Stimme geben. Umfragewerte weichen daher oft stark vom Endergebnis ab.

Der Chef der Demokratischen Partei (PD), Pier Luigi Bersani, geht mit seinem Mitte-links-Blocks als Favorit ins Rennen. Bersani steht für „Italia Giusta“, ein „gerechtes Italien“, und setzt sich für einen sozial ausgewogenen Reform- und Sparkurs sowie verstärkten Arbeitnehmerschutz und eine deutlich humanere Immigrationspolitik ein.

„Nach dem Schaden, den die Rechten angerichtet hat, ich denke etwa an die Abschiebung von Flüchtlingen aufs offene Meer, ist es Zeit für eine Wende“, erklärte Bersani. Vor allem die Lega Nord hätte alle Einwanderer als potenzielle Kriminelle behandelt und zu rechtlosen Sündenböcken abgestempelt.

Medien-Wahlkampf

Stärkster Herausforderer ist die Mitte-rechts-Allianz um Ex-Premier Silvio Berlusconi – dazu gehören die Partei „Volk der Freiheit“ (PdL), die rechtspopulistische Lega Nord, die von PdL-Abtrünnigen gegründete Mitte-rechts-Fraktion „Fratelli d'Italia“ (Brüder Italiens) sowie „La Destra“. Laut Umfragen könnte es das Berlusconi-Bündnis auf den zweiten Platz schaffen. Einige seiner Allianz spekulieren gar mit Platz eins. Medienprofi Berlusconi ließ keine TV- oder Radio-Show aus. Er ging mit Anti-EU-Attacken und unrealisierbaren Versprechen, wie die Rückzahlung der umstrittenen Immobiliensteuer, auf Stimmenfang. Zur Not werde er die vier Milliarden Euro aus der eigenen Tasche bezahlen, sagte er.

Der scheidende Premier Mario Monti tritt als Vertreter eines Zentrumsblocks, zu dem seine Wahlliste „Mit Monti für Italien“ sowie die christdemokratische Partei von Pierferdinando Casini und die Rechtspartei von Gianfranco Fini zählen. Der Mailänder Wirtschaftsprofessor Monti will seinen Sparkurs zur Rettung Italiens fortsetzen. In Wahlkampflaune hat er sogar partielle Steuersenkungen versprochen. Bis zuletzt hielt er sich die Option offen, eine Allianz mit Bersani einzugehen.

"Fünf-Sterne-Komiker"

Der große Unsicherheitsfaktor dieser Wahl ist die Fünf- Sterne-Protestbewegung von Beppe Grillo. Diese hat großen Zulauf im Lager der Politik-Enttäuschten und der jungen Leute. Der Komiker wurde lange Zeit als Polit-Clown unterschätzt und könnte laut Umfragen sogar als zweitstärkste Einzelpartei ins Parlament einziehen.

Grillo mobilisierte auf seiner „Tsunami“-Wahlkampftour via Blog, Facebook und Twitter die italienischen Massen, tourte im Camper quer durch ganz Italien und füllte die Piazze mühelos.