Politik/Ausland

Italien: Bürgermeister aus roter Zone ruft nach Militärärzten

„Bitte helfen sie uns, wir brauchen eine angemessene Gesundheitsversorgung“, appellierte der Bürgermeister von Castiglione d’Adda in der Lombardei an die Regierung in Rom. Constantino Pesatori bittet darum, in den Krankenhäusern der „zona rossa“ (roten Zonen), zu der seine Gemeinde gehört, die Notversorgung auszubauen und Militärärzte zu schicken. Denn auch viele Ärzte hätten sich bereits angesteckt. „Die Menschen sind krank und fühlen sich alleine gelassen.“

Die drastischen Maßnahmen der italienischen Regierung wie Schulschließungen rechtfertigte Regierungschef Giuseppe Conte damit, die Gesundheitsversorgung aufrechtzuerhalten. Denn wenn die Zahl der Ansteckungen mit dem Coronavirus rapide steige, könne die Versorgung derer, die Intensivmedizin benötigen, nicht gewährleistet werden.

„Leider verzeichnen wir in Castiglione D’Adda eine hohe Zahl an Todesfällen“, sagte Bürgermeister Constantino Pesatori. Eine Antwort aus Rom hatte er am Donnerstag nicht. „Aber immerhin ist meine Beschwerde bekannt geworden.“

Überalterung in Italien

Warum Italien so besonders stark betroffen ist, darüber gibt es nur vage Vermutungen. „Könnte sein, dass in Italien ein Virus-Stamm im Umlauf ist, der durch natürliche Selektion gelernt hat, den Menschen besser zu infizieren“, vermutete Giovanni Maga, Virologe vom nationalen Forschungsrat CNR im Interview mit La Republicca. In der Lombardei müssten über zehn Prozent der Infizierten auf der Intensivstation behandelt werden, in China seien es nur fünf Prozent.

„In Italien leben mehr alte Menschen als in anderen Gebieten, in denen das Virus ausgebrochen ist“, erklärte dagegen der Epidemiologe Pierluigi Lopalco aus Pisa. Und alte Menschen seien eben besonders schwer betroffen und gefährdet. Die Regierung fordert über 75-Jährige deshalb auf, zu Hause zu bleiben.

„Die Regierung hat Angst, Verantwortung zu übernehmen, deshalb lässt sie lieber das Land untergehen“, sagte Juli Brunelli, eine zweifache Mutter aus Rom. Sie arbeitet als Selbstständige und hat wie viele andere Zweifel am Nutzen der Schulschließungen, die Eltern vor schier unlösbare Aufgaben stellen. Familienministerin Elena Bonetti stellte deshalb am Donnerstag Unterstützung in Aussicht – für die Kosten der Babysitter oder bezahlten Sonderurlaub für Eltern.

Gefährdete Großeltern

Denn eigentlich sollten die „nonni“ (Großeltern) ja daheim bleiben und nicht als Babysitter eingesetzt werden, um sich nicht in Ansteckungsgefahr zu bringen. Doch die Omis und Opas waren im ganzen Land im Einsatz, berichten viele Medien.

Regierungschef Giuseppe Conte gab die Losung aus: „Wir sind ein starkes Land.

Viele Schulen riefen Eltern dazu auf, online Schulmaterial abzurufen und zu Hause ein wenig Stoff durchzunehmen. Universitäten behelfen sich mit Podcasts.

Nicht küssen

In dem Dekret der Regierung steht, dass Menschen mindestens einen Meter Abstand voneinander halten und sich zur Begrüßung nicht umarmen oder küssen sollen.

Es sind nur noch drei Regionen, das Aostatal, die Basilikata und Kalabrien, die bisher vom Virus verschont geblieben sind. In der norditalienischen Provinz Bergamo wurden dagegen 125 neue Coronafälle festgestellt. Deshalb wird überlegt, ob es machbar ist, die Provinz ebenfalls zum Sperrgebiet zu erklären.

Wegen der schweren Krise schwebt Italien eine Aussetzung der europäischen Schuldenregeln vor. Und die Frächter fordern wegen der schweren Umsatzrückgänge die sofortige Aussetzung der Tiroler Fahrverbote.

3.100 Coronapatienten
Bisher wurden rund 30.000 Tests in  Italien  durchgeführt. Betroffen sind die Emilia-Romagna, Venetien,  Lombardei

Schulen, Kindergärten  und Universitäten geschlossen
Bis Mitte März  bleiben auch  Theater und Kinos zu. Sportveranstaltungen finden ohne Publikum statt

107 Tote
waren bis Donnerstag zu beklagen. Älteren Menschen ab  75 wird empfohlen, zu Hause zu bleiben