Politik/Ausland

Präsident sucht Ausweg aus Staatskrise

Die Unberechenbarkeit von Ex-Premier Silvio Berlusconi stürzt das Land erneut ins Chaos. „Der Verurteilte versenkt Italien“, titelte nach dem Donnerschlag aus dem Berlusconi-Lager die linke Tageszeitung Il fatto quotidiano. In einem Rundumschlag hat der 77-jährige Medientycoon einen Rückzug seiner fünf Minister aus der Regierung angeordnet. Premier Enrico Letta gerät dadurch fünf Monate nach seinem Amtsantritt in schwere Bedrängnis.

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Wie es künftig weitergeht, ist derzeit unklar. Premier Letta und Staatspräsident Napolitano trafen am Sonntag zu einer Krisensitzung zusammen. Sie berieten dabei auch über eine Strategie im Fall des Regierungssturzes nach der Vertrauensabstimmung im Senat. Letta wird am Mittwoch die Vertrauensfrage im Parlament stellen.

Napolitano will mit allen Mitteln Neuwahlen verhindern, auch wenn die Berlusconi offen fordert. Als „verrückte Geste“ bezeichnete der 47-jährige Letta Berlusconis Blitzaktion. Einen Streit mit Letta um die Mehrwertsteuererhöhung nannte Berlusconi als Grund für den Bruch der großen Koalition. Für Letta ist das nur ein Alibi, in Wahrheit ginge es nur um Berlusconis persönliche Angelegenheiten.

Dass der Ex-Premier ausgerechnet sechs Tage vor der Entscheidung des Senats über seinen Ausschluss aus dem Parlament den „Stecker rauszieht“, wie es in Rom heißt, gilt als letzter Verzweiflungsakt.

Wilde Planspiele

Derzeit wird über mögliche Szenarien spekuliert, die ein Aus der Regierung verhindern. Sozialdemokrat Letta könnte versuchen, mithilfe von Überläufern aus dem moderaten Flügel der Berlusconis Partei „Volk der Freiheit“(PdL) und der Unterstützung aus dem linken Lager eine zweite Regierung zu bilden. Diese sollte zumindest bis zum italienischen EU-Vorsitz ab Juli 2014 durchhalten. Im Abgeordnetenhaus verfügen Lettas PD und ihre Verbündeten über eine große Mehrheit. Im Senat herrscht ein Patt zwischen dem linken und dem rechten Lager.

Eine Alternative wäre die Bildung einer Übergangsregierung, die zumindest ein Haushaltsgesetz für das kommende Jahr und eine Wahlrechtsreform verabschiedet.Dass es noch 2013 zu Neuwahlen kommt, gilt als unwahrscheinlich. Napolitano hat stets betont, dass er angesichts der dramatischen Wirtschaftskrise des Landes, einem Urnengang erst mit einem neuen Wahl- und Haushaltsgesetz zustimmt.

Berlusconi, der sich zu seinem 77. Geburtstag am Sonntag eine „Regierungskrise schenkte“ (Repubblica), startete einen letzten Versuch, um seine Justizprobleme aufzuschieben. Die Mailänder Staatsanwaltschaft wartet inzwischen nur mehr auf grünes Licht, um den Haftbefehl zu vollstrecken. Das Kassationsgericht verurteile Berlusconi im August wegen Steuerbetrugs zu vier Jahren Haft. Zudem drohen weitere Verurteilungen – etwa im Ruby Prozess.

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