Likud-Sieg: Friedenslösung rückt in die Ferne
Zunächst sah es nach einem Patt aus - Benjamin Netanyahus Likud und Issac Herzogs Mitte-Links-Bündnis Zionistische Union ritterten um Platz eins. In der Früh dann war klar: Netanyahu hat die Wahl gewonnen, er kommt auf 30 der 120 Parlaments-Sitze; Herzog gestand die Niederlage ein. Auch wenn noch nicht entschieden ist, wie die nächste Regierung in Israel aussehen wird, haben sich die Hoffnungen der Linken damit jäh zerschlagen.
Auch für den Friedensprozess dürfte das Wahlergebnis einen Rückschritt bedeuten: Netanyahu hatte noch am Tag vor der Wahl einem Palästinenserstaat eine Absage erteilt. Nun sieht der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat auch keine Chance für neue Friedensverhandlungen mit der künftigen Regierung. Es sei "sehr klar, dass es in Israel keinen Partner für den Friedensprozess gibt", so Erekat. Auch der ranghohe PLO-Beamte Yasser Abed Rabbo sagte: "Israel hat den Weg des Rassismus, der Besatzung und des Siedlungsbaus gewählt und nicht den Weg der Verhandlungen und der Partnerschaft mit uns". "Vor uns liegt ein langer und schwerer Weg des Kampfes gegen Israel", sagte er. Die Palästinenser müssten ihre Vorhaben deshalb vorantreiben, die Sicherheitszusammenarbeit mit Israel zu beenden und Israel wegen des Siedlungsbaus und des Vorgehens im Gaza-Krieg 2014 vor den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) zu bringen.
Auch der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, sieht den Friedensprozess nun in weite Ferne gerückt. "Er ist ideologisch motiviert, das bedeutet: kein Palästinenserstaat, sondern eine schrittweise Annektierung der palästinensischen Gebiete", sagte Primor am Mittwoch dem Sender "Phoenix" im Hinblick auf Netanyahu. "Dafür braucht er den Siedlungsbau." Mit der von Netanyahu angestrebten Koalition würden "echte, ehrliche Verhandlungen mit den Palästinensern" unmöglich.
Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas ließ ausrichten, dass die palästinensische Führung zur Zusammenarbeit "mit jeder israelischen Regierung" bereit sei, sofern diese einen Palästinenserstaat an der Seite Israels akzeptiere.
Procedere
Nun beginnt ohnehin erst einmal die Suche nach einer Koalition: Da es in der 20. Knesset erneut neben wenigen Fraktionen mittlerer Größe zahlreiche Parteien mit geringer Sitzzahl gibt, dürfte die Koalitionsbildung schwierig werden. Ob es Netanyahu gelingt, wie von ihm angekündigt binnen drei Wochen eine neue Regierung zu bilden, bleibt offen. Der Ablauf und die Fristen dagegen sind gesetzlich festgelegt. Mit einer Reihe von Einsprüchen und der Nachzählung in einzelnen Stimmbezirken ist erfahrungsgemäß zu rechnen. Dennoch laufen Abspracheversuche zwischen den Parteien bereits auf Hochtouren. Und auch Präsident Reuven Rivlin streckt bereits seine Fühler aus und sondiert in informellen Kontakten, welchen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten die Fraktionen unterstützen könnten. Spätestens acht Tage nach der Wahl, also am kommenden Mittwoch, muss die Zentrale Wahlkommission das amtliche Endergebnis verkünden. Gelingt die Prüfung von Einsprüchen schneller, kann dies auch vorher geschehen. Danach hat der Staatspräsident sieben Tage Zeit, einen gewählten Abgeordneten - andere Politiker kommen nicht infrage - mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Die neu gewählte Knesset tritt bereits am 31. März zu ihrer Eröffnungssitzung zusammen. Um vier Uhr Nachmittag werden dann alle Abgeordneten eingeschworen.
Die vorgezogene Parlamentswahl war notwendig geworden, nachdem Netanyahus Mitte-Rechts-Koalition Ende vergangenen Jahres nach weniger als zwei Jahren im Amt auseinandergebrochen war. Knapp 5,9 Millionen Wahlberechtigte waren zur Stimmabgabe aufgerufen. Die Wahlbeteiligung war mit 71,8 Prozent die höchste seit 1999. Bei der letzten Wahl 2013 hatte sie 67,8 Prozent betragen.
Er hat’s also doch noch einmal geschafft: Im Wahlkampf bereits abgeschrieben, mobilisierte Israels Premier Benjamin Netanyahu alles für eine vierte Amtszeit; bemühte die Atom-Gefahr aus dem Iran (samt Verprellung des Partners im amerikanischen Weißen Haus); schlug einer Nahostlösung alle Türen zu (mit der Ankündigung, dass es unter ihm nie einen Palästinenserstaat geben werde) – und holte den in allen Umfragen voranliegenden linken Herausforderer Isaac Herzog ein. Kopf an Kopf gingen beide ins Wahl-Ziel.
Dass es jetzt wohl keinen Wechsel vom konservativen Likud zu Mitte-Links geben wird, hat aber vermutlich nicht mit dem Wahlkampf-Motor „Außenfeind“ zu tun. Sondern damit, dass auch Herzog keine Antwort auf den Innenfeind in Israel hatte: die sozialen Sorgen, die Teuerung, die Wohnungsnot. An ihm sind alle Parteien gescheitert. Jetzt ist Regierungsbilden angesagt, auch in Israel mühsam genug. Wenn Netanyahu dabei tatsächlich ein viertes Mal erfolgreich ist, ist auch Porzellankitten angesagt. In den USA. Vor allem aber in Sachen Nahost-Lösung vor der Haustüre.