Israel weist Völkermord-Vorwurf zurück: "Wir wollen kein Volk zerstören"
Israel hat vor dem Internationalen Gerichtshof den Vorwurf des Völkermords im Gaza-Krieg entschieden zurückgewiesen. Die von Südafrika erhobenen Vorhaltungen seien haltlos und absurd, sagte der Rechtsberater des israelischen Außenministeriums, Tal Becker, am Freitag in Den Haag. Die Opfer des Gazakrieges und das Leiden der Zivilbevölkerung gingen allein auf das Konto der Terrororganisation Hamas. "Israel ist im Krieg mit Hamas, aber nicht mit dem palästinensischen Volk."
"Der Antragsteller versucht, das inhärente Recht Israels, sich zu verteidigen, zu untergraben ... und Israel wehrlos zu machen", so Becker. "Israel will kein Volk zerstören, sondern ein Volk schützen, sein eigenes", sagte der Rechtsberater. "Wenn es Völkermordakte gab, dann wurden sie gegen Israel verübt." In seiner Berufung auf das Recht Israels auf Selbstverteidigung schilderte Becker die Massaker der im Gazastreifen herrschenden Terrororganisation Hamas, bei denen am 7. Oktober rund 1.200 Menschen getötet und etwa 250 aus Israel entführt worden waren. Israels Anwalt Malcolm Shaw erklärte darüber hinaus, das Gericht sei gemäß der Völkermordkonvention nicht befugt, das Land anzuweisen, seinen Militäreinsatz zu stoppen.
Die Anhörungen endeten am Freitag, begleitet von Demonstrationen hunderter Anhänger Israels und der Palästinenser. Zunächst geht es um einen Eilantrag Südafrikas, mit dem die Richter ein Ende des Militäreinsatzes anordnen sollen. Das Gericht will so schnell wie möglich entscheiden, wie Gerichtspräsidentin Joan Donoghue ankündigte. Ein Beschluss wird vor dem 6. Februar erwartet, wenn das Richterkollegium neu zusammengestellt wird.
Es ist das erste Mal, dass sich Israel vor dem höchsten UNO-Gericht einem Völkermord-Vorwurf stellen muss. Südafrika hatte die Klage unter Berufung auf die Völkermord-Konvention eingereicht, die auch Israel unterzeichnet hat. Die militärische Gewalt ziele auf eine absichtliche Zerstörung des Lebens der Palästinenser, erklärte Südafrika.
Klage von Südafrika
Entscheidungen des IGH sind rechtsverbindlich, doch hat das UNO-Gericht keine Möglichkeit zur Durchsetzung. Die Entscheidungen können aber weitreichende Folgen haben, mitunter auch anders als von den Klägern beabsichtigt. So erlitt etwa Serbien nach der einseitigen Unabhängigkeitserklärung des Kosovo im Jahr 2008 mit einer Klage in Den Haag Schiffbruch. Anders als von Belgrad erhofft qualifizierte das Gericht den Schritt nämlich nicht als völkerrechtswidrig, womit die Klage zum Bumerang wurde.
Israels Botschafter in Österreich, David Roet, sprach am Freitag in einer Stellungnahme von einer "südafrikanischen Blutrache-Anschuldigung". "Dies ist eine unbegründete Behauptung, die weder eine faktische noch eine rechtliche Grundlage hat und den Begriff des Völkermordes, der nach dem Holocaust gegen das jüdische Volk eingeführt wurde, schamlos missbraucht", teilte Roet mit. Israel habe nicht die Absicht, den Gazastreifen dauerhaft zu besetzen oder seine Zivilbevölkerung zu vertreiben. "Wir verurteilen diesen erbärmlichen Versuch, die Völkermordkonvention zu politisieren, aufs Schärfste und fordern unsere Freunde auf, dies ebenfalls zu tun. Die Entscheidung sollte einfach sein, denn wenn man alles als Völkermord bezeichnet, dann ist nichts Völkermord."
Die Klage gegen Israel ist innerhalb der Europäischen Union umstritten. Während sich die Regierung Sloweniens an dem Verfahren beteiligen will, sehen andere Länder die Beratungen in Den Haag eher kritisch. Dazu zählt auch Österreich. "Wir widersetzen uns allen Versuchen, den IGH zu politisieren", betonte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Donnerstag. Mit seinem tschechischen Amtskollegen Petr Fiala veröffentlichte er diesbezüglich einen gleichlautenden Post auf X. "Das ,Verbrechen der Verbrechen', der Vorwurf des Völkermordes sollte niemals leichtfertig erhoben werden", unterstrichen Nehammer und Fiala.
Schärfer äußerte sich eine Gruppe von Nationalratsabgeordneten auf Initiative des ÖVP-Mandatars Martin Engelberg. In einer am Donnerstag publizierten Erklärung bezeichneten sie die Völkermordvorwürfe gegen Israel als "beleidigend" und "lächerlich". "Dies ist ein weiterer Fall, in dem der Begriff 'Völkermord' missbraucht wird", heißt es in der Erklärung, der sich bis Freitag 16 Nationalratsabgeordnete anschlossen - 14 ÖVP-Parlamentarier sowie die NEOS-Abgeordneten Helmut Brandstätter und Johannes Margreiter