Politik/Ausland

Britisches Unterhaus stimmt gegen alle Brexit-Alternativen

Das britische Parlament hat sich am Mittwoch nicht auf eine Alternative zum Brexit-Abkommen von Premierministerin Theresa May einigen können. Sie lehnten sowohl einen Austritt ohne Abkommen, als auch ein weiteres Referendum ab. Bei den Abstimmungen über alternative Brexit-Ansätze sind also alle acht Anträge abgelehnt worden. Das teilte der Sprecher des Parlaments am Mittwochabend mit.

Zur Wahl standen fast alle bisher aufgekommenen Möglichkeiten. Unter den acht verschiedenen Varianten für einen EU-Ausstieg Großbritanniens waren unter anderem ein Austritt am 12. April ohne Abkommen, eine Rücknahme des Brexit-Antrags und ein weiteres Referendum.

Was alles passiert ist

Die britische Premierministerin Theresa May hat ihre Bereitschaft zum Rücktritt signalisiert, um ihr Austrittsabkommen mit der EU doch noch zu retten. "Wir müssen den Deal durchbringen und den Brexit durchziehen", sagte sie bei einem Treffen von Abgeordneten ihrer konservativen Partei einer Erklärung ihres Büros zufolge. Sie sei bereit, dafür ihr Amt früher aufzugeben. Es gebe den Wunsch nach einem "neuen Ansatz, einer neuen Führung". Sie werde dem nicht entgegenstehen.

Angepeilt wurde eine weitere Abstimmung am Freitag über die bereits zwei Mal abgelehnte Vereinbarung. Allerdings blieb unklar, ob das Angebot May genug Unterstützung bringen würde.

Die Regierungschefin hatte bereits zugesagt, vor der geplanten nächsten Parlamentswahl 2022 ihren Hut zu nehmen. In britischen Medien war zuletzt darüber spekuliert worden, dass sie einen noch früheren Rücktritt anbieten könnte, um doch noch Kritiker in den eigenen Reihen für ihr Abkommen zu gewinnen. Dieses war vom Parlament zwei Mal mit deutlicher Mehrheit verworfen worden. Der Sprecher des Parlaments, John Bercow, hat erklärt, die Regeln ließen keine erneute Abstimmung über eine unveränderte Vorlage zu. Auch die Abstimmungen am Abend hatte das Parlament gegen den Willen von May erzwungen. Üblicherweise bestimmt die Regierung die Tagesordnung im Unterhaus.

25 Rebellen stellen sich doch hinter Mays Deal

Dem britischen Sender BBC zufolge haben 25 Rebellen in den Reihen der Konservativen sich nun doch hinter Premierministerin Theresa May gestellt. Ein geregelter Brexit scheint jedoch trotzdem sehr unwahrscheinlich, denn May benötigt mindestens 75 zusätzliche Stimmen, um den Brexit-Vertrag mit der EU bei einem etwaigen dritten Votum durch das Parlament zu bringen.

Laut einem Sprecher werden aus den Reihen der ERG-Gruppe von Pro-Brexit-Konservativen auch nach dem Rücktrittsangebot von May nicht genug Stimmen für den Brexit-Vertrag kommen.

Aus Mays Perspektive gibt es immernoch einen Lichtblick: Der erzkonservative Brexit-Hardliner Jacob Rees-Mogg erklärte Mittwochfrüh, warum er plötzlich doch das zwischen Premierministerin Theresa May und der EU ausgehandelte Austrittsabkommen unterstützt: „Ein halber Laib ist besser als gar kein Brot“, schrieb er.  Alle anderen Alternativen seien angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Parlament schlimmer. Voraussetzung für seinen Sinneswandel sei allerdings, dass auch die nordirische Partei DUP Mays Brexit-Deal unterstütze. Später erklärte er, es würde reichen, wenn sich die DUP der Stimme enthalte.

May kann nicht mit Unterstützung der DUP rechnen

Premierministerin May kann auch nach ihrem Rücktrittsangebot weiter nicht mit der Unterstützung der nordirischen DUP-Partei für das Brexit-Abkommen rechnen. Dieses stelle eine "Bedrohung der Integrität" Großbritanniens dar, sagte DUP-Chefin Arlene Foster. Mays Tories bilden eine Minderheitsregierung und sind auf die Unterstützung der DUP angewiesen. Diese lehnt die Regelungen zur irischen Grenze im Austrittsvertrag ab.

Acht mögliche Szenarien standen zur Debatte:

1) NO DEAL: Brexit-Hardliner fordern einen Austritt aus der EU ohne Abkommen am 12. April.

2) WEICHER BREXIT: Eine überparteiliche Gruppe von EU-freundlichen Abgeordneten fordert, dass Großbritannien auch in Zukunft eng an die EU gebunden bleiben soll, inklusive Mitgliedschaft in Binnenmarkt und Zollunion.

3) NORWEGEN-MODELL: Großbritannien soll nach dem Willen dieser Abgeordneten ähnlich wie Norwegen Mitglied im Binnenmarkt, aber nicht in der Zollunion bleiben.

4) ZOLLUNION: Einflussreiche Konservative und Labour-Politiker fordern, dass Großbritannien in einer Zollunion mit der EU bleibt.

5) ZOLLUNION UND ENGE BINDUNG AN DEN BINNENMARKT: Der offizielle Vorschlag der oppositionellen Labour Party sieht vor, dass Großbritannien in der Zollunion bleibt und sich an den Regeln des Binnenmarkts orientiert. Auch in anderen Bereichen ist eine enge Kooperation mit der EU vorgesehen.

6) BREXIT-WIDERRUF ALS NO-DEAL-NOTBREMSE: Sollte bis zwei Sitzungstage vor dem EU-Austritt kein Brexit-Abkommen angenommen sein, muss die Regierung eine Abstimmung darüber abhalten, ob das Land ohne Vertrag ausscheiden soll. Wird das abgelehnt, soll London die Austrittserklärung widerrufen, fordert eine überparteiliche Gruppe.

7) ZWEITES REFERENDUM: Dutzende Abgeordnete aus verschiedenen Parteien verlangen, dass das Brexit-Abkommen vor dem Austritt der Bevölkerung in einer zweiten Volksabstimmung vorgelegt wird.

8) ÜBERGANGSPHASE OHNE ABKOMMEN: Brexit-Hardliner wollen nach dem Austritt bestimmte Vorteile einer EU-Mitgliedschaft vorerst behalten, bis die neuen Beziehungen ausgehandelt sind.

Parlament billigte Verordnung für späteren EU-Austritt

Der ursprüngliche Termin - diesen Freitag - für einen EU-Austritt Großbritanniens, findet definitiv nicht statt. Die britische Regierung hat sich am Mittwochabend vom Parlament den Segen für eine Rechtsverordnung zum Verschieben des EU-Austrittsdatums geben lassen. Damit kann das bisherige Datum, der 29. März nun auch nach nationalem Recht geändert werden.

Ursprünglich sollte Großbritannien die EU Ende März verlassen. Doch der Termin war wegen des Streits um den Brexit nicht mehr zu halten. Die EU bot London in der vergangenen Woche eine Verschiebung des Brexits bis zum 22. Mai an. Bedingung dafür ist allerdings, dass das Unterhaus noch in dieser Woche dem Austrittsvertrag zustimmt. Andernfalls gilt die Verlängerung nur bis zum 12. April. In dem Fall soll London vor diesem Termin sagen, wie es weitergehen soll.

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