Indiens gefährlicher Heilsbringer
Von Irene Thierjung
Lang waren sie, die Schlangen vor den Wahllokalen. Seit den Morgenstunden stellten sich viele der 166 Millionen am Donnerstag Wahlberechtigten in 12 indischen Bundesstaaten an, um ein neues Parlament zu wählen. Der seit der Vorwoche laufende Urnengang ist mit 814 Millionen Wahlberechtigten die weltweit größte demokratische Wahl aller Zeiten.
Am wichtigsten Tag der auf fünf Wochen verteilten neun Abstimmungstage wurden die Abgeordneten von 121 der 543 Wahlkreise gewählt. Der Kandidat mit den meisten Stimmen im Wahlkreis schafft am 16. Mai (Endergebnis) den Einzug ins Unterhaus. Das dürfte zumeist der Kandidat der Hindu-nationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP) oder von deren Verbündeten sein – und nicht jener der Kongresspartei, die Indien jahrzehntelang geprägt hat.
Unzufriedenheit
Die Kongresspartei hat sich durch sinkendes Wirtschaftswachstum, grassierende Korruption, kriminelle Politiker, die große Armut und explodierende Lebensmittelpreise demontiert. Jeder zweite ihrer 201 Abgeordneten dürfte aus dem Parlament fliegen. Der farblose Spitzenkandidat Rahul Gandhi, Sohn von Parteichefin Sonia Gandhi, konnte das nicht ändern.
Rolle bei Pogromen
Die 13 Prozent Muslime im Land und auch der islamische Nachbarstaat und Erzfeind Pakistan betrachten den radikalen Hindu dagegen mit Argwohn. Sie fürchten eine Spaltung des Landes. Als 2002 ein hinduistischer Mob in Gujarats Hauptstadt Ahmedabad wütete und mehr als 1000 Muslime tötete, unternahm Modi nichts – und hat sich bis heute nicht entschuldigt.