Politik/Ausland

In Russland ist der Westen unten durch

Als "negativ" nehmen derzeit 71 Prozent aller Russen die Rolle der USA in der Welt wahr, weitere 19 Prozent sahen sie als "eher negativ". Im Oktober 2008, als die Frage erstmals gestellt wurde, waren es nur zwölf Prozent. Obwohl das US-freundliche Georgien damals gerade versucht hatte, die abtrünnige pro-russische Region Südossetien zurückzuerobern.

Als "negativ und destabilisierend" werde vor allem Washingtons Außenpolitik wahrgenommen, sagt Alexei Graschdankin vom Lewada-Zentrum, dem derzeit einzigen unabhängigen russischen Meinungsforschungsinstitut, das der Nation Anfang Oktober den Puls fühlte.

US-Bündnispartner, darunter auch Deutschland, das die Russen bei früheren Umfragen als Partner oder gar Freund einstuften, kommen ähnlich schlecht weg. 75 Prozent glauben, "der Westen" würde Russland als Gegner sehen und daher versuchen, russischen Interessen zu schaden. Nur 17 Prozent sind der Ansicht, Russland und der Westen seien Partner mit weitgehend übereinstimmenden Interessen bei der Lösung globaler Probleme.

"Toleranz-Kult"

Über den westlichen Wertekanon senkt die Mehrheit ebenfalls den Daumen. 46 Prozent attestieren westlichen Demokratien "zerstörerische Wirkungen" für Russland, 36 % sehen "erheblichen Anpassungsbedarf an die Spezifik Russlands". Nur zehn Prozent halten die westliche Demokratie für "unverzichtbar". Auch für westliche Lebensweise können sich nur 30 Prozent begeistern. Stören würde Russen vor allem der "Toleranz-Kult", so Graschdankin. Das habe wohl mit Kampagnen russischer Staatsmedien gegen sexuelle Minderheiten und einem Gesetz zu tun, das Minderjährige vor "Schwulen-Propaganda" schützen soll.

Logisch erscheint vor diesem Hintergrund auch, dass 61 % sich "gar nicht" und weitere 20 % "eher nicht" vorstellen können, im Ausland zu leben und zu arbeiten. Auch das ist rekordverdächtig. Allerdings stieg die Zahl der Anträge auf eine Green Card um 18 Prozent, berichtet die Zeitung rbk unter Berufung auf die US-Botschaft in Moskau.

Die Zunahme anti-westlicher Ressentiments erklären die Lewada-Forscher vor allem mit dem Ukraine-Krieg. Im Oktober 2014 hätten 79 % die USA negativ gesehen. Dass es jetzt weniger sind, lasse den Schluss zu, dass die Entwicklungen in Syrien als Chance für eine Wiederannäherung wahrgenommen werden.