Politik/Ausland

In nordgriechischen Flüchtlingslagern herrscht das blanke Elend

Eine alte Blechdose dient als Ofen. Auf der Flamme schmort Gemüse in viel Öl. Shirin hockt am Boden und rührt in der verbeulten Pfanne. Die 38-jährige Jesidin floh mit ihren drei halbwüchsigen Töchtern Anfang 2015 vor den mordenden IS-Truppen im Nordirak. Was sie damals erlebte, darüber redet sie nicht. "Es war schlimm", flüstert eine ältere Frau. "Ihr Mann wurde vor ihren Augen umgebracht, Shirin vergewaltigt."

Über die Türkei kam sie nach Nordgriechenland, wo sie jetzt in Serres, einem Ort an der bulgarischen Grenze, lebt. Sie ist verzweifelt, ihre Töchter haben seit drei Jahren keine Schule mehr gesehen. "Ich weiß nicht, wie es weitergeht", kommt es leise aus ihr heraus.

Selbst in Griechenland hatte sie keine Ruhe vor Verfolgung. In einem Lager wurde sie von Mitbewohnern attackiert, nur weil sie Jesidin ist. Jetzt wartet sie auf eine Unterbringung in einem leer stehenden Hotel. So haben es Athener Beamte versprochen. "Auf eine bessere Unterbringung bestehen wir", sagt EU-Abgeordneter Josef Weidenholzer (SPÖ), als er kürzlich das Camp gemeinsam mit seiner portugiesischen Kollegin Ana Gomes besuchte. Das Lager, eine einzige Misere, soll geräumt werden: Nasse Zelte, Kinder in Sommerkleidung, Jugendliche sitzen apathisch am Boden. Viele sind alleine hier, Dschihadisten haben ihre Eltern ermordet.

Katastrophale Lage

Es ist eisig kalt in den Zelten. Heizstrahler gibt es nicht, auch kein Licht. Für 505 Personen im Lager von Serres – die meisten Jesiden – stehen 20 Toiletten und einige tropfende Duschen zur Verfügung. "Eine Katastrophe", Weidenholzer ist fassungslos.

Trotzdem – klagen will er nicht. Gegenüber griechischen Flüchtlingsbeauftragten pochen die beiden EU-Parlamentarier darauf, endlich Listen für Umsiedlungen zu erstellen und dabei auf die Schutzbedürftigkeit der jesidischen Minderheit Rücksicht zu nehmen. Rund 4000 Jesiden aus der Region Sindschar sind in Griechenland, davon 2600 in den beiden Lagern Serres und Petra am Olymp. Sie sind Opfer von Völkermord und deswegen besonders schutzbedürftig. Beinahe jeder im Camp hat miterlebt, wie Familienmitglieder von der IS umgebracht wurden.

Zurück in Brüssel schreiben die beiden Europa-Abgeordneten einen geharnischten Brief an Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Chefdiplomatin Federica Mogherini und Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos. Sie fordern Tempo bei den Umsiedlungen ganzer Gruppen. "Wenn nicht sofort etwas passiert, werden Tausende Flüchtlinge im Winter frieren. Die Lage ist schon jetzt für viele lebensbedrohlich", appelliert Weidenholzer. Nach dem Besuch sind vor fünf Tagen immerhin einige Jesiden nach Portugal ausgeflogen worden. Insgesamt will das Land 700 aufnehmen.